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Divisionär F. M. L Tamasi heiter scherzend durch die Straßen geht, den frischen Tannenbruch an der Feldkappe.

Przemysl, den 11. März 1915,
     am 124. Tag der 2. Belagerung.

Die guten Nachrichten verdichten sich mehr und mehr. Die „Kriegsnachrichten" von gestern bringen keine Namen, aber sehr günstige Meldungen:

„In den Karpathen wurden starke russische Angriffe abgewiesen. Hunderte von toten Russen liegen vor unseren Stellungen. Angreifend eroberten wir eine Kuppe, wobei wir 10 Offiziere und 700 Russen gefangen nahmen. Auf benachbarten Höhen nahmen wir 1000 Russen gefangen.

In Südost-Galizien erlitten die Russen eine empfindliche Schlappe.

In Westgalizien eroberten wir eine Ortschaft und nahmen mehrere Offiziere und 500 Russen gefangen.“

Das ist eine Nachricht vom 9. März über Wien und etwa 4 Tage alt. Einstweilen will man aus zuverlässiger Quelle wissen, daß unsere Entsatzarmee bereits auf 70 km gegen Przemysl vorgegangen ist.

Was ist das hier für ein Auf und Nieder der Gefühle! Die einen jubeln und schließen Wetten ab, daß wir in 5 Tagen frei sind! Die Pessimisten schütteln die Köpfe, zucken die Achseln über den Leichtsinn der anderen und beharren hartnäckig auf ihrem Unglauben. Aber den Optimisten und den Pessimisten, der Zivilbevölkerung, den Offizieren und der Mannschaft gemeinsam ist das fiebernde, nervenzersetzende Warten, das allein gleichsam den ganzen Menschen ausmacht.

Da sind vor allem unsere heldenmütigen Soldaten, die seit Monaten darben, frieren, kämpfen und wachen,

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)