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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

Umbreit, Dorner, Jul. Müller gelten können. Dagegen vertraten das spezifische Luthertum Klaus Harms, Scheibel, Sartorius, Rudelbach, Guerike, Harleß, Höfling, Philippi, Hofmann, Martensen, Luthardt, Kahnis, Kliefoth, Delitzsch, Vilmar. Ihnen schloß sich mit der Zeit auch Hengstenberg (gest. 1869) an, dessen streng rückläufige Richtung besonders in den 50er und 60er Jahren obenauf kam und alles zur Unterdrückung der sogen. Schleiermacherschen Linken that, welche von Krause, Pischon, Jonas, Sydow, Eltester vertreten war. Auf dem Gebiet der einzelnen theologischen Disziplinen herrschte fortwährend große Betriebsamkeit. In der biblischen Exegese zeichneten sich aus: De Wette, Winer, Fritzsche, Credner, Hitzig, Ewald, Tholuck, Bleek, Lücke, Olshausen, Bunsen, J. Fr. v. Meyer, Lange, Stier etc. Aber eigentliches Leben brachte erst die neutestamentliche Kritik in die moderne Theologie, so zuerst seit 1835 David Friedr. Strauß (gest. 1874), dann die „Tübinger Schule“ unter F. Chr. Baur (gest. 1860), als dessen namhafteste Schüler Zeller, Schwegler, Hilgenfeld zu nennen sind. Neuerdings arbeiten mehr oder weniger in derselben Richtung auch Holsten und Volkmar, Lipsius und Pfleiderer, Holtzmann und Hausrath. 30 Jahre nach dem ersten Erscheinen von Strauß’ „Leben Jesu“ gab das gleichnamige Buch von Renan einen Anstoß zur neuen Untersuchung der geschichtlichen Grundlagen des Christentums und rief mehrere andre Werke hervor, welche gleichfalls die Person Jesu und die von ihm ausgegangenen Wirkungen geschichtlich zu begreifen strebten, und um welche eine ganze Litteratur polemischer Schriften sowie vermittelnder Versuche anschloß. So erschienen 1864 die neue Bearbeitung des „Lebens Jesu“ von D. F. Strauß, die „Untersuchungen über evangelische Geschichte“ von Weizsäcker, das „Charakterbild Jesu“ von Schenkel, bald darauf die „Geschichte Jesu“ von Keim, nachträglich auch noch Schleiermachers und Bunsens Forschungen über das Leben Jesu. Den großartigsten Gedankenbau aber hat nach Schleiermacher Richard Rothe (gest. 1867) in seiner „Ethik“ aufgeführt. Für kirchengeschichtliche Arbeiten erwiesen sich besonders anregend Neander (gest. 1869) und Karl Hase (geb. 1800), während die Dogmengeschichte von F. Chr. Baur, Dorner und Ritschl gepflegt wurde. Die wichtigsten neuern Schriftsteller auf dem Gebiet der katholischen Kirchengeschichte und Dogmatik sind: Hermes, Möhler, Döllinger, Alzog, Ritter. Sonst bietet die neuere theologische Litteratur meist kleinere, dem Angriff, der Verteidigung und der Vermittelung gewidmete Schriften, wie sie das Bedürfnis des Augenblicks, der Kampf auf dem kirchlichen Gebiet hervorriefen. Daneben äußerte sich aber auch, besonders seit 1848, das Bestreben, das Volk wieder lebhafter für religiöse Erbauung zu erwärmen, den kirchlichen Sinn zu heben und die christliche Liebe wachzurufen. Daher ist die theologische Litteratur der letzten Jahre vor allem reich an Streitschriften und asketischen Werken. Von den durch den Druck veröffentlichten gesammelten Kanzelreden haben die von Schleiermacher, Dräseke, Ahlfeld, Hofacker, Nitzsch, Theremin, Krummacher, Harleß, Gerok, Kapff, Beyschlag, Palmer, Beck, Kögel, Müllensieffen, Steinmeyer, Karl Schwarz und Heinrich Lang eine weite Verbreitung erlangt.

Geschichte.

Die Geschichte, die in der deutschen Litteratur gegenwärtig einen so hohen Rang einnimmt und eine fast überwältigende Fülle von Leistungen aufweist, fand schon frühzeitig Bearbeitung und zwar bis ins 14. Jahrh. hinein vorzugsweise von Geistlichen und in lateinischer Sprache. Zahlreiche ihrer Arbeiten, meist auf engere Kreise beschränkt und im beliebten Chronikenstil oder in Form von Biographien abgefaßt, sind durch Sammlerfleiß und chronologische Genauigkeit, mitunter auch durch Richtigkeit und Feinheit des Urteils ausgezeichnet. Mehr Volkstümlichkeit und reichern Gehalt an Mitteilungen aus dem öffentlichen Leben haben allerdings die spätern, in deutscher Sprache geschriebenen Geschichtsbücher, wenn sie auch an politischem Urteil den italienischen und an eigentümlicher Selbständigkeit den französischen Memoiren nicht gleichgestellt werden können. Unter den Historikern in lateinischer Sprache, deren Werke auf unsre Zeit gekommen sind, mögen vorzüglich die Biographen Karls d. Gr.: Einhart, Konrads II.: Wipo, und Friedrichs I. Barbarossa: Otto von Freising, sowie die Geschichtschreiber der Ottonen: Widukind, und der Sachsenkriege: Lambert von Hersfeld, erwähnt werden. Zu den ältesten deutsch geschriebenen Geschichtswerken gehören die „Sächsische Weltchronik“ (Repgowsche Chronik) aus dem Anfang des 13. Jahrh., die „Braunschweiger Reimchronik“ und die Straßburger Chronik des Fritsche Closener (Ende des 14. Jahrh.). In den Anfang des 14. Jahrh. fällt die „Reimchronik“ Ottokars von Steiermark. Andre wichtigere Werke jener Periode sind: das „Elsässische Zeitbuch“ (bis 1386) von Jakob Twinger aus Königshofen; die „Limburger Chronik“ von Johannes Gensbein (gest. nach 1402); die niederdeutsche „Chronik von Bremen“ von G. Rynesberch (gest. 1406) und H. Schene (gest. um 1420; das „Schweizerische Zeitbuch“ von Petermann Etterlin aus Luzern; die „Chronik der Stadt Köln“ von Gottfried Hagen (gestorben vor 1300); die „Duringische Chronik“ (bis 1440) von J. Rothe; die „Geschichte König Sigismunds“ von Eberhard Windek; die „Geschichte des Kostnitzer Konzils“ von Ulr. v. Richenthal; die „Berner Chronik“ (1152–1480) von Diebold Schilling aus Solothurn; die „Magdeburger Schöppenchronik“, die Nürnberger Chronik des Ulmer Stromer, die Breslauer des Peter Eschenloer, die Breisacher Reimchronik über die Burgunderkriege (1432–80) u. a. Im sinnbildlichen Gewand ist die Geschichte Kaiser Maximilians I. dargestellt im „Weißkuning“ von seinem Geheimschreiber Marx Treizsauerwein. Weniger wurde unmittelbar vor und nach der Reformation geleistet; die beliebte Methode, die Universalgeschichte nach den herkömmlichen vier Monarchien (der chaldäischen, persischen, griechischen und römischen) zu behandeln, fand sogar noch durch R. Agricola (gest. 1485) und Sleidanus (gest. 1556) in Deutschland Anwendung.

Erst Philipp Melanchthon drang auf ein gründlicheres Studium der Geschichte und erwarb sich durch die Herausgabe von Carios deutsch geschriebener Chronik (1532), die er bei seinen Vorträgen über Weltgeschichte zu Grunde legte, und den von ihm dazu verfaßten reichhaltigen Kommentar ein großes Verdienst. Die Sprache der Geschichtswerke des 16. Jahrh. ist kindlich-einfach, nach Geist und Ton volkstümlich und dem bürgerlichen Hausverstand entsprechend, später artete sie aus und teilte die allgemein herrschenden Fehler des Ausdrucks. Am bedeutendsten treten hervor: Johann Thurmayr, genannt Aventinus (gest. 1534, Bayrische und Deutsche Chronik); Th. Kantzow (gest. 1542, Pommersche Chronik); Sebastian Frank (gest. 1545, Zeitbuch, Deutsche Chronik); Ägidius Tschudi (gest. 1572, Schweizerische Chronik); Luk. David (gest. 1583, Preußische Chronik); die Selbstbiographien der Ritter Götz von Berlichingen,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0762.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2023)