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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4

scheiterte indessen, und D., der vielleicht gar nicht daran teilgenommen, wurde nun auf Lebenszeit in die Acht erklärt. Tief erbittert zog er sich von den andern Geächteten zurück und nahm das Asyl an, das Graf Guido Salvatico im Val Casentino ihm anbot. Inzwischen war sein ältester Sohn herangewachsen und sollte in Padua seine Studien beginnen. Um ihn wiederzusehen, begab sich D. 1306 nach Padua, scheint sich aber nicht lange daselbst aufgehalten zu haben. Im Sommer 1307 machte Papst Clemens V. einen Versuch, den vertriebenen Weißen zur Rückkehr nach Florenz zu verhelfen; es kam in Mugello zu einer Zusammenkunft der Beteiligten, und auch D. fand sich dazu ein. Allein die Unterhandlungen zerschlugen sich; die „schlechte und dumme Bande“ der Weißen benahm sich so unwürdig, daß sich D. vollständig von ihr lossagte, um fortan „für sich allein Partei zu machen“. Allein wanderte er nun im Land umher, um zu erfahren, „wie scharf versalzen fremdes Brot schmeckt, wie hart es ist, fremde Treppen zu steigen“. Auch der Schmerz sollte dem Verstoßenen nicht erspart bleiben, „alles Teure“, das er in Florenz hatte zurücklassen müssen, durch einen plötzlichen Tod zu verlieren: seine Gattin und die beiden jüngsten Söhne starben 1308 an der Pest. Von den Orten, an welchen D. verweilte, kennt man mit Bestimmtheit nur einige. Nachdem er kurze Zeit in der Lunigiana (zwischen Lucca und Genua) beim Marchese Morello Malaspina gerastet (auf dessen Schloß er vielleicht den ersten Plan zur „Commedia“ entwarf), wandte er sich nach Verona, wo eben (1308) der heldenmütige Can della Scala (Can grande) Mitregent seines schwachen Bruders Alboin geworden war, und ging von hier, wie wenigstens Boccaccio berichtet, nach Paris, wo er sich in theologische Studien vertiefte. Die Kunde von dem Zug König Heinrichs VII. nach Italien erweckte wieder neue Hoffnungen in ihm und rief ihn in das Vaterland zurück. D.,„ der schon früher einen Ermahnungsbrief an die Fürsten und Völker Italiens erlassen hatte, sich dem Kaiser als dem „Retter des Landes“ zu unterwerfen, begrüßte diesen zu Mailand (Dezember 1310) und schrieb, als ihm derselbe zu lange in Oberitalien zögerte, einen feurigen Brief, der ihn aufforderte, ungesäumt die Axt an die Wurzel des Übels, Florenz, zu legen (11. April 1311). Eine dritte Epistel richtete D. sodann an die Florentiner selbst und verkündete darin seiner Vaterstadt das Schicksal Sagunts. Florenz antwortete mit einem Dekret (9. Sept. 1311), das die Ächtung Dantes in den schärfsten Ausdrücken bestätigte und ihn „auf ewige Zeiten“ verfemte, während es zugleich offene Partei für die „heilige Kirche“ gegen den Kaiser nahm. Die Belagerung der Stadt, welche der Kaiser im Sommer 1313, nachdem er im Juni 1312 in Rom gekrönt worden war, unternahm, hatte keinen Erfolg; er mußte unverrichteter Sache abziehen, und als er sie mit neuen Kräften wieder aufnehmen wollte, ereilte ihn bei Siena der Tod (24. Aug. 1313). Ob D. persönlichen Anteil an diesen Begebenheiten genommen, oder wo er sich um diese Zeit aufgehalten, ist nicht mit Sicherheit ermittelt. Über ein Dutzend Ortschaften und Klöster in den verschiedensten Gegenden Italiens haben in der Folge die Ehre beansprucht, des Heimatlosen Asyl und Herberge gewesen zu sein. Wahrscheinlich ist, daß er sich zunächst dem ihm von Arezzo her befreundeten Uguccione della Faggiuola, der das Haupt der Ghibellinen von Toscana und Herr von Pisa war, angeschlossen (dem er, wie man berichtet, den ersten Teil der „Commedia“ dedizierte, wie er den zweiten Teil dem Marchese Moroello Malaspina gewidmet haben soll), und daß er nach Heinrichs VII. Tod alle Hoffnung aufgegeben und sich einzig mit der Vollendung seines großen Gedichts beschäftigt hat. Von Pisa scheint er sich nach der Romagna gewandt zu haben, wo er etwa 1315 mit seinen beiden Söhnen Pietro und Jacopo und seiner Tochter Beatrice nach Ravenna kam; der Fürst Guido Novello da Polenta gewährte ihnen dort eine bleibende Stätte. Um diese Zeit ward dem berühmt gewordenen Dichter endlich die Erlaubnis zur Rückkehr nach Florenz durch einen Freund ausgewirkt, unter der Bedingung, daß er sich „der Form wegen“ einer kurzen Verhaftung und einer Geldstrafe unterwerfe und in einer Kirche seine Schuld durch ein Sühnopfer anerkenne. Mit großartigem Selbstbewußtsein wies aber D. in einem noch erhaltenen Brief den Antrag unter solchen Bedingungen zurück, und so ward das Verbannungsurteil im Oktober 1315 abermals „auf ewige Zeiten“ bestätigt und merkwürdigerweise erst 1494 ausdrücklich aufgehoben. In Ravenna brachte er wohl den dritten Teil seiner „Commedia“ vollständig zu Ende (um 1319); auch soll er nach Boccaccio während dieser Zeit zahlreiche Schüler unterrichtet und zum Dichten in der italienischen Volkssprache angeleitet haben. Im Sommer 1321 ging er dann, wie weiter berichtet wird, in einer diplomatischen Mission seines Gastfreundes nach Venedig, erkrankte dort und wurde, dem Tod nahe, nach Ravenna zurückgebracht, wo er 14. Sept. 1321 im Alter von 56 Jahren starb. Er ward in der Grabkapelle neben der Franziskanerkirche in einem marmornen Sarg feierlich bestattet. Der Fürst selbst hielt ihm eine Leichenrede, und nur seine eigne Verbannung, die im folgenden Jahr erfolgte, vereitelte seine Absicht, ihm ein prächtiges Denkmal zu errichten. – Im J. 1483 ließ Bernardo Bembo, Vater des berühmten Kardinals, die Grabstätte mit einem Denkmal schmücken und darauf eine angeblich von D. selbst verfaßte Inschrift setzen. Durch den Kardinallegaten Domenico Maria Corsi ward 1692 die verfallene Grabstätte notdürftig restauriert; erst 1780 erfuhr sie durch Luigi V. Gonzaga eine gründliche Reparatur. Im J. 1813 stellte Canova Dantes Marmorbüste im Pantheon zu Rom auf. Florenz reklamierte die Gebeine des Dichters, der in seinem letzten Willen ausdrücklich verlangt hatte, daß sie unter keinen Umständen an seine undankbare Vaterstadt ausgeliefert werden sollten, wiederholt (zuletzt noch 1864), aber immer vergeblich und hat erst 1829 in der Kirche Santa Croce seinem großen Sohn ein Denkmal von der Hand Riccis errichten lassen. Während der Kardinal Bertrando di Poggetto Dantes Gebeine als die eines Ketzers zum Feuer verurteilen wollte, hallte ganz Italien vom Ruhm des Dichters wider. Fünf Jahrzehnte nach des Dichters Tod errichtete seine Vaterstadt einen besondern Lehrstuhl zur Erläuterung seines Werkes, auf den Boccaccio berufen ward, und andre Städte, wie Pisa, Bologna, Mailand, folgten dem Beispiel von Florenz nach. – Sein Volk aber gab ihm den Beinamen des „Göttlichen“. – Nach Boccaccios Beschreibung war D. ein Mann von mittlerer Größe, im Alter etwas gekrümmt, doch würdig und stets in vornehmer Kleidung einhergehend, sein Gesicht lang, mit einer Habichtsnase und großen, ausdrucksvollen Augen; die Kinnbacken waren stark und die untere Lippe etwas hervorspringend, Bart und Haupthaar schwarz, dicht und kraus, der Ausdruck des Gesichts schwermütig und tiefsinnig, die Farbe desselben bräunlich. Raffael hat ihn in dem unter

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 4. Bibliographisches Institut, Leipzig 1886, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b4_s0531.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2021)