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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Während der Quarzsand auf die W. beschränkt ist, wird der Thonstaub erst dort festgehalten, wo die Kraft des Windes nachläßt oder der Boden mit Vegetation bedeckt ist, d. h. in den die W. umgebenden Steppenländern. W. und Steppe stehen somit in genetischem Zusammenhang, die Steppe ist oft ein Kind der W. Man kann somit mit Fug und Recht sagen, daß die Entstehung des Wüstensandes in erster Linie von Kräftewirkungen abhängig ist, die dem Wüstenklima eigen sind. Unter dem Einfluß des Windes wird der Sand zu Dünenwellen zusammengeweht, welche in der Regel quer zur herrschenden Windrichtung stehen. Außer der Kraft und Richtung des Windes kommen für die Bildung der Dünen noch die Konfiguration des Bodens und der Sandgehalt des Windes in Betracht. Jedwedes Hindernis, das sich dem Sand führenden Winde entgegenstellt, genügt, um zur Entstehung einer Düne Veranlassung zu geben. Hat sich einmal eine Dünenwelle gebildet, so gibt diese wieder einen Sandfänger für den neu herbeigeführten Sand ab, und so reiht sich Dünenzug an Dünenzug, die zusammen endlich ein mit parallelen Dünen bedecktes Sandmeer bilden. Die Menge des vom Wüstenwind geführten Sandes ist nach darüber angestellten Beobachtungen eine ganz beträchtliche. Bei der Rohlfsschen Expedition war nach einem Sandsturm der Boden mit einer 26 cm hohen, frisch gebildeten Sandschicht bedeckt. Ein Wind, der solche Sandmassen fortzuführen vermag, muß aber auch die Form der Dünen verändern können. An gewissen Dünen sind Veränderungen in der Höhe in größerm oder geringerm Maßstabe beobachtet worden, von andern ist es bekannt, daß sie wandern, wieder andre haben aber zweifellos seit langem weder Gestalt noch Lage verändert. Die größten und mächtigsten Dünen befinden sich in den zentralen Gebieten der Sahara. Die gewöhnlichste Form der Dünen ist die langgestreckter paralleler Kämme, welche nur geringe Krümmungen erkennen lassen. Zwischen denselben führen fast geradlinige Straßen hin, deren sich die Karawanen bedienen. Jede Düne hat eine dem Winde zugekehrte, harte und daher leichter zu ersteigende Seite und eine dem Winde abgekehrte Seite, auf welcher der Sand so lose liegt, daß man bis über die Knöchel einsinkt. Beide Seiten sind durch einen scharfen, wie mit einem Messer geschnittenen Grad getrennt. Außer diesen geraden Dünen finden sich auch häufig isolierte rundliche Sandhügel. Die Beduinen der Libyschen W. unterscheiden folgende Arten von Dünen:

Ramle Sandebene    
Sif langgestreckte Sandhügel.
Kelb runde
Kibsch ovale

Daneben kommt noch eine andre Form der Dünen vor, die auch ziemlich weit verbreitet ist, und die man im Gegensatze zu den geraden Dünen als „Bogendünen“ bezeichnen kann. Im mittlern Arabien in der Nefûd heißen diese gekrümmten Dünen „Fuldjes“. Es sind Löcher von verschiedener Tiefe und Größe, welche die Form eines Pferdehufes haben. Die Zehe ist in der Nefûd stets nach Westen gerichtet, hier befindet sich auch die tiefste Stelle, während nach dem Hacken zu die Tiefe allmählich abnimmt, bis schließlich der Boden der Oberfläche der W. gleichkommt. Zu beachten ist, daß die Fuldjes in Reihen angeordnet sind, daß sie

Fig. 10. Verbreitung der Gebiete mit einer jährlichen Regenmenge unter 22 ccm.

sich ferner in einem Gebiet befinden, dessen Sand von dem der geraden Dünen verschieden ist, daß endlich nur besonders heftige Sandstürme den Sand der Nefûd zu bewegen vermögen. Diese Umstände machen es wahrscheinlich, daß die Fuldjes nichts andres sind als gekrümmte Dünen, deren besondere Form durch bestimmte Sand- und Windverhältnisse bedingt ist. Solange die Bedingungen, welche eine Düne bildeten, nämlich die Bodengestaltung, Richtung und Stärke des Windes und die Sandzufuhr dieselben bleiben, beharrt die Düne an ihrer Ursprungsstelle, sobald sich aber eine dieser Bedingungen ändert, verändert sich und wandert die Düne.

Als vierter Typus der W. wurde die Lehmwüste genannt. Dieselbe ist auf geringere Räume beschränkt und findet sich überall da, wo durch eine negative Strandverschiebung eines Meeres früherer Meeresboden bloßgelegt und in W. verwandelt ist. Der dieselbe bildende Meeresschlamm ist mit Gips und Salz durchzogen. Ersterer kristallisiert zwischen dem Thon aus, das Salz aber wird infolge seiner Hygroskopizität wenigstens in den tiefern Lagen nur selten ganz trocken. Die Oberfläche der Lehmwüste ist daher meist mit trockenen zersprungenen Thonschollen bedeckt, darunter befindet sich jedoch ein glitschiger feuchter Thonboden. Diese besondere Art der Entstehung bedingt die Verbreitung der Lehmwüste, dieselbe zieht sich an der Küste des Mittelmeeres hin und ist besonders

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 994. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s1008.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)