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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

derart, daß ein Mensch im Innern gebückt gehen könnte. Auf ähnliche Ursachen ist die Bildung von sonderbaren Felsgebilden zurückzuführen, welche man wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Form der Pilzschwämme als Pilzfelsen bezeichnen kann (Fig. 3 der Tafel). Ein mächtiger Block ruht auf schlanker Basis, über die er mit ausgehöhltem Rande weit hinausragt. Freiliegende Blöcke werden am Fuße durch Sandgebläse und Verwitterung leicht angefressen und gerundet, während die Oberseite durch die Schutzrinde gegen derartige Angriffe besser gesichert ist. Doch auch hier entstehen durch einen ähnlichen Vorgang wie bei der Bildung der Säulengalerien Stellen, an denen die Kruste durchlöchert wird. So entstehen die auf der Tafel abgebildeten Pilzfelsen mit weit überhängendem ausgezackten Rand. Es sind Kalkfelsen, etwa 5 m hoch und ebenso breit, welche aus einer größern Felsmasse herausgeschält sind. Der braune Hut ragt fast 1 m über den weißen Stiel hervor. Eine Begleiterscheinung der Kieswüste ist das verkieselte Holz, dessen berühmteste Fundstelle auf der Ostseite des Mokkatamgebirges der sogen. große versteinerte Wald ist. Hier findet man zwischen braunen, vom Sande gerundeten Kieseln auf hügeligem Boden Bruchstücke der Nicolia aegyptica in großer Zahl und von verschiedener Größe herumliegen; in einzelnen Fällen bewahren die Stücke noch so weit den Zusammenhang, daß man die Länge der Stämme auf 25–27 m bestimmen kann. Wurzeln und Äste werden ebensowenig wie Rindenstücke gefunden (Fig. 4 der Tafel). Die Hölzer liegen in jungtertiären Ablagerungen und sind durch eine 1000 m mächtige Schicht von Kreide und Eocän von einer ältern Ablagerung, dem sogen. nubischen Sandstein, getrennt, in welcher sich ebenfalls versteinertes Holz vorfindet. Eine Identität beider fossilen Holzarten ist nicht nachgewiesen. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um Sandstein, in welchen die Hölzer gebettet sind, doch haben beide Ablagerungen verschiedene Eigenschaften. Für die Hölzer des nubischen Sandsteins ist es höchst wahrscheinlich, daß die Baumstämme beim Wandern der Dünen vergraben und abgebrochen wurden und später von schwachen Kiesellösungen durchtränkt wurden. Der jüngere, nacheocäne Sandstein ist dagegen ein durch Kieselsinter verkitteter Wüstensand, der gleichzeitig mit der Ablagerung der Hölzer entstand. Die Verkieselung der letztern geschah durch stetig zufließendes kieselhaltiges Wasser von Geisern oder heißen Quellen, welches in dem Holz kapillarisch in die Höhe steigt und an der Luft verdunstet. In der ägyptischen W. sind nun zwar bisher keine thätigen Geiserquellen gefunden worden, doch ist immerhin bemerkenswert, daß in der Provinz Constantine heiße Quellen sprudeln.

Während die Kieswüste, sei sie als Serir oder als Hamâda ausgebildet, ungemein eintönig ist, zeigt die Sandwüste infolge der leichtbeweglichen Sandanhäufungen eine reicher gegliederte Oberfläche. Der Sand selber ist von verschiedener Farbe, Korngröße und Beschaffenheit, besitzt meist eine helle, reine Farbe und ist mehr oder minder mit Thonstaub vermischt. Wegen der Ähnlichkeit mit dem Dünensand der Meeresküsten kam man zu der irrigen Ansicht, daß die Sahara ein ausgetrocknetes Meer und der Wüstensand Meeressand sei. Als sich dann bei näherer Erforschung der Sahara herausstellte, daß der von Sand bedeckte Teil der W. verhältnismäßig gering sei, so ging man dazu über, in dem nubischen Sandstein die Quelle alles Wüstensandes zu sehen. Indes ist es einerseits Thatsache, daß der Sandstein in der W. oberflächlich nicht stark verwittert, anderseits ist wahrscheinlich der nubische Sandstein selbst eine Wüstenbildung. Dagegen weisen alle kristallinischen Gesteine in der W. eine weitgehende äußere Zersetzung auf, die nicht etwa chemischen Vorgängen ihre Entstehung verdankt, sondern rein mechanisch ist. Dabei kommt vor allem der dem Wüstenklima eigentümliche schroffe Temperaturwechsel in Betracht. Die drei Hauptbestandteile des Granits, der weiße Quarz, rote Feldspat und schwarze Glimmer oder Hornblende, besitzen eine verschiedene spezifische Wärme und dehnen sich infolgedessen in verschiedenem Grade aus.

Fig. 8. Zerbröckelter Granitsand.
Fig. 9. Grobkörniger Quarzsand.
Fig. 8 u. 9. Proben von Wüstensand.

Das Umgekehrte findet in der Nacht statt, wenn die Gesteine infolge der Wärmeausstrahlung sich wieder zusammenziehen. So kommt es, daß die kristallinischen Gesteine oberflächlich zerbröckeln und zu Granitgrus werden. Fig. 8 und 9 stellen einige Proben von Wüstensand dar, die auf einer schwarzen und weißen Fläche ausgebreitet sind; erstere ist scharfkantiger Sand, welcher am Sinai aus der Zerbröckelung von Granit entsteht, die andre ist eine gröbere Art reinen Quarzsandes, die bei den Pyramiden gesammelt wurde. Sind einmal die Mineralien voneinander getrennt, so werden sie durch Insolation weiter in kleinere Stücke zersprengt und durch das Sandgebläse zerrieben. Der Wind hält alsdann Auslese unter den verschiedenen Bestandteilen, entführt den Glimmer auf weite Entfernungen, zerkleinert den Feldspat zu Thonstaub, der die Luft beim Samum so verdunkelt, daß tagelang die Sonne unsichtbar bleibt.

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 993. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s1007.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)