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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

des untern Wadi Dugla in der Nähe von Kairo erkennen (Fig. 2). Ein Gebirgsrücken trennt das Wadi Dugla von dem Wadi Bela-mâ. In die steilen Thalgehänge des erstgenannten Wadi greifen an mehreren Stellen weite Zirkusthäler ein. Durch die Erosion des Wassers können dieselben nicht geschaffen sein, denn sie liegen gerade an solchen Punkten, wo die gelegentlichen Hochwasser nicht ihre größte erodierende Kraft ausüben. Aber auch durch die seitwärts einmündenden Bäche können sie nicht hergestellt sein, denn letztere sind viel zu unbedeutend, als daß sie einen so großen Zirkus, wie z. B. die Lyciumschlucht und das dahinter eine Stufe höher gelegene Zirkusthal, hätten erodieren können, überdies finden sich derartige Zirken an Stellen, wo überhaupt kein Nebenbach mündet. Zirkusthäler oder Amphitheater finden sich überall in der Nachbarschaft des Wadi Dugla; daß die Wassererosion nicht in erster Linie bei der Bildung derselben wirksam gewesen sein kann, zeigt besonders das Amphitheater am Nordabhang des Dschebel Turra (Fig. 3). Auch im Längsprofil unterscheidet sich ein Wüstenthal wesentlich

Fig. 3. Amphitheater am Dschebel Turra.

von einer Erosionsrinne, welche sich in regenreichen Ländern bildet. Letztere stellt von der Quelle bis zur Mündung eine zusammenhängende, wenn auch verschieden gekrümmte Kurve dar; das Wüstenthal beginnt an seinem Ursprung mit einer Steilwand und besitzt im fernern Verlauf auf weite Erstreckung hin eine auffallend gleichmäßige Sohle, die gewöhnlich durch eine und dieselbe Felsbank gebildet wird. Die Tafelberge in der Form der Zeugen wie die Thäler werden durch die Existenz von härtern Bänken bestimmt und sind Spiegelbilder, indem in dem einen Falle die Felsbank die Sohle, im andern die Krönung bildet. Faßt man alle Vorgänge, welche sich bei der Denudation in der Wüste abspielen, zusammen, so geht die Zerstörung eines Gebirgslandes in folgender Weise vor sich: Ein Tafelgebirge bestehe aus mehreren übereinander liegenden horizontalen Schichten, unter denen reiche Mergelmassen von bedeutenderer Mächtigkeit (A, C, E) mit dünnen, harten Kalkbänken (B, D) abwechseln (Fig. 4). Sobald die wenig widerstandsfähigen Mergelschichten, welche die Decke bilden, durch Verwitterung und Insolation in ihrem Zusammenhange gelockert sind, beginnt der Wind seine Thätigkeit zu entfalten und entführt die Gesteinsfragmente. Ist diese oberste Schicht entfernt, so wird die harte Kalkbank den zerstörenden Kräften einen größern Widerstand entgegensetzen, während die darunter liegende weiche Schicht leichter angegriffen wird. Hat sich erst eine Hohlkehle unter der harten Bank gebildet, so bricht diese vermöge ihres Gewichts am Rande ab, und die Trümmer bilden am Fuße der Bergwand einen Schutthaufen (Fig. 5; vgl. Fig. 1 der Tafel). Dieser Prozeß macht sich nicht an allen Punkten des Tafelgebirges in gleicher Stärke geltend, sondern je nach den lokalen Verhältnissen wird an einigen Stellen die Zertrümmerung schneller vor sich gehen als an andern. So wird das Tafelland auf allen Seiten vom Rande aus angegriffen und zerschnitten und erhält einen ausgebuchteten Umriß, wie Fig. 6 a u. b zeigen.

Fig. 4. Erstes Stadium.
Fig. 5. Zweites Stadium.
Fig. 6a. Drittes Stadium im Profil.
Fig. 6b. Drittes Stadium in Projektion.
Fig. 4–6. Äolische Abtragung eines Tafelgebirge in der Wüste.

Einzelne Zeugen deuten die ursprüngliche Ausdehnung des Gebirges noch an. Kleine Rinnsale begünstigen den Zerstörungsprozeß, fördern bei gelegentlich eintretenden Gewitterregen den herabgefallenen Schutt heraus und graben sich in das Plateau bis zur nächst tiefern Kalkbank ein. In einem weitern Stadium des Prozesses ist das Tafelland fast ganz bis auf die Ebene der Bank D abgetragen, und vielleicht nur noch ein kleiner Rest ist als Zeuge einer frühern Schichtendecke stehen geblieben. Mit diesem Zustande tritt vorläufig ein Stillstand in der Denudation des Gebirges ein, bis sich neue Angriffspunkte bieten, welche es ermöglichen, daß der Prozeß von neuem beginnt. Besonders Risse, Sprünge und Spalten, die von Dislokationen herrühren, werden die Mittel bieten, um die Denudation zu beschleunigen.

Geht dieser Prozeß ungestört vor sich, so müssen im Laufe der Zeit alle Unebenheiten verschwinden,

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 991. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s1005.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2023)