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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

die Fortpflanzung gesorgt und reichliche Brut hinterlassen haben. Größere Hoffnungen würden hier auf parasitische Insekten zu setzen sein, namentlich auf solche, die bei der Brut schmarotzen, wenn Aussicht vorhanden wäre, dieselben künstlich zu züchten. So hatte Kunckel d’Herculais schon 1888 in den Eierklumpen des wegen seiner Zerstörungen in Algerien besonders gefürchteten Stauronotus maroccanus schmarotzende Larven bemerkt, die sich (1890) als Käferlarven, Verwandte der spanischen Fliege, entpuppten, einer Mylabris-Art, von der man früher geglaubt hatte, sie sei ein Bienenschmarotzer. Die jungen Tiere nähren sich vielmehr von den Eiern der Heuschrecken und sind mithin als sehr nützlich zu betrachten. Außerdem fand derselbe Entomologe eine schmarotzende Fliege (Sarcophaga clathrata), welche die Wanderheuschrecke heimsucht, aber es wird nicht leicht möglich sein, diese beiden Vernichter der Heuschrecken künstlich zu züchten.

Bessere Gewähr für die Infektionsmethode mit Pilzen bieten offenbar Insekten mit vollkommener Verwandlung, die nicht während ihrer ganzen Entwickelung (wie die Heuschrecken) fressend umherlaufen, sondern sich einspinnen und verpuppen, und schon während ihrer Raupen- und Puppenzeit, lange bevor sie geschlechtsreif werden, einer Pilzinvasion zugänglich sind. Wir wissen, daß dies in hohem Grade bei den Raupen der Seidenspinner der Fall ist, und deshalb knüpft man in Bayern Hoffnungen an eine Pilzkrankheit, welche Hofmann in Regensburg an teils lebenden, teils toten Raupen der Nonne in den Revieren Ebersberg, Münchsmünster, Anzing und Buchau entdeckt hat. Es scheint, daß es sich dabei teilweise um Botrytis bassiana, den Pilz, welcher die Muskardinekrankheit der Seidenraupen veranlaßt, handelt. Aber mehr noch als dieser Schmarotzer scheinen Bakterien thätig gewesen zu sein, welche bei einer großen Anzahl von Raupen die als Schlaffsucht (Flacherie) bekannte Krankheit (vgl. Bd. 14, S. 828) hervorgerufen hatten. Da nun zu hoffen ist, daß die in den zahlreichen Raupenleichen massenhaft aufgespeicherten Pilzsporen und Spaltpilze in der nächsten Saison von großem Vorteil bei der Vernichtung der Raupen sein werden, so empfiehlt Hofmann, die eingesammelten Raupen nicht (wie vielfach üblich) zu verbrennen oder aus dem Walde zu entfernen, um nicht der Ausbreitung dieses nützlichen Bundesgenossen entgegenzuwirken. Im Gegenteil empfiehlt er beim Abholzen von Waldflächen, welche von irgend einer schädlichen Raupe ganz kahl gefressen sind, die Gipfel der gefällten Stämme, welche mit dichten Krusten zusammengeklebter Raupen überzogen sind, in andre noch nicht oder erst wenig vom Raupenfraß beschädigte Reviere zu übertragen, um die so nützlichen Pilze weiter zu verbreiten. Einen bemerkenswerten Erfolg hat unlängst Löffler (Greifswald) in der Bekämpfung der Mäuseplage nach der verbesserten Pasteurschen Methode in Griechenland erzielt. Die Feldmäuse hatten in bedrohlicher Weise in Thessalien überhand genommen, und das Verfahren wurde unter eigner Aufsicht von Löffler in der Weise angewandt, daß mit der Spaltpilz-Kultur getränkte Brotkrume auf die Felder gelegt wurde. Die davon fressenden Mäuse erkranken und sterben. Das tödliche Übel verbreitet sich schnell, weil die Körper der Getöteten von den andern Mäusen angefressen werden. Der Erfolg dieser Anfang Mai 1892 zur Ausführung gebrachten Versuche soll ein vollständiger gewesen sein und der deutsche Professor von den Bauern als ein Heiliger verehrt werden.

Auch in Australien hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben, mit Hilfe der Bakterien der Kaninchenplage Herr zu werden, und nach dem Fehlschlagen der Pasteurschen Versuche den Rat von Koch dieserhalb in Anspruch genommen. Anderson-Stuart von der Universität Sidney kam eigens deshalb nach Berlin und hat, da Kochs Gutachten dem Plane nicht ungünstig ausfiel, die Errichtung einer bakteriologischen Anstalt daselbst vorgeschlagen, die vorzugsweise diesem Zwecke gewidmet sein soll. Vgl. Hofmann, Insektentötende Pilze (Frankf. a. M. 1891).

Tinel, Edgar, belg. Komponist, geb. 27. März 1854 zu Sinay (Ostflandern), trat 1863 als Schüler in das Brüsseler Konservatorium ein und studierte unter Gevaert, Brassin, Dupont, Samuel u. a. T. trug 1873 den ersten Preis im Klavierspiel davon und gab um dieselbe Zeit zahlreiche Lieder und Klavierstücke heraus. 1877 erhielt er für seine Kantate „Klokke Roeland“ den Staatspreis. 1881 wurde er zum Direktor der Kirchenmusikschule in Mecheln ernannt, 1889 zum Inspektor der staatlich subventionierten Musikschulen Belgiens. Als sein Hauptwerk ist das Oratorium „Franciscus“ zu bezeichnen, das 1888 in Mecheln, später in Brüssel und im Winter 1891/92 in mehreren deutschen und niederländischen Städten aufgeführt wurde. Seine andern größern, in Brüssel und Leipzig erschienenen Werke sind: Drei symphonische Tongemälde für Orchester nach Corneilles „Polyeucte“ (1878–81); „Drei Ritter“, Ballade, und „Die Mohnblumen“, lyrische Dichtung, beide für eine Singstimme mit gemischtem Chor und Orchester (1878 und 1879), daneben eine Klavier- und eine Orgelsonate, Sammlungen von geistlichen und weltlichen Liedern etc.

Tirol. Im Sommer 1891 fanden in Tirol abermals zwei beklagenswerte Hochwasserkatastrophen statt. Am 17. Juni erfolgte der Ausbruch des Gletschersees, welcher sich im obersten Teile des ca. 8 Stunden langen Martellthales, eines Seitenthales des Vintschgau, hinter dem Zufallferner aufgestaut hatte. Das Thal ward arg verwüstet, im Orte Gand wurden mehrere Häuser weggerissen, doch ist der Schade, da man auf den Ausbruch vorbereitet war, nicht allzu groß. Eine unvorhergesehene Katastrophe hat dagegen in der Nacht vom 17. zum 18. Aug. ein Wolkenbruch, der sich über dem obern Laufe des Ganderbachs entlud, über das an diesem Wildbach gelegene Dorf Kollmann bei Waidbruck im Eisackthal gebracht, indem er eine bergsturzähnliche Muhre entfesselte, welche in ihrem furchtbar schnellen Niedergange 16 Häuser zerstörte und hinwegfegte, an 40 Menschenleben vernichtete, das Bett des Eisack mit ihrem Geschiebe auf 300 m verlegte und den gegenüberliegenden Bahnkörper auf eine weite Strecke überschwemmte, ein Elementarereignis, wie es unter gleich erschütternden Erscheinungen lange nicht stattgefunden hat. Über die Schulgesetzgebung s. Österreich, S. 699.

Togo. Durch Abkommen mit England vom 17. Juni 1889 wurde die Grenze gegen die englische Goldküstenkolonie genauer bestimmt. Dieselbe geht an der Küste von den 1886 gesetzten Grenzzeichen aus und erstreckt sich in nördlicher Richtung bis 6° 10′ nördl. Br., der sie bis zum linken Ufer des Akaflusses folgt, um dann den Thalweg des letztern bis 6° 20′ nördl. Br. hinaufzusteigen. Darauf geht sie auf diesem Breitengrade weiter in westlicher Richtung bis zum rechten Ufer des Dschawe- (Shavoe-) Flusses, folgt demselben bis zu dem Breitenparallel, welches durch den Punkt der Einmündung des Deineflusses in den

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 915. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0929.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2024)