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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

nach Art der sogen. Glovertürme, die am Boden mit einem netzartigen, durchbrochenen Gewölbe abgeschlossen sind, welche das aus Kalksteinen (Marmor gibt das reinste Fabrikat) oder Dolomitstücken bestehende Basenmaterial trägt, mit dem der Turm gefüllt wird. Die in besondern Öfen durch Verbrennen von Schwefel oder Schwefelkies erzeugte schweflige Säure strömt unter diesem Gewölbe in den Turm, durchstreicht das Füllmaterial und bildet damit Sulfit, das sofort in Wasser gelöst wird, welches von oben her durch den Turm über den Kalk rieselt und sich unter dem Gewölbe als Sulfitlösung von 6–8° Beaumé sammelt. Zur Vermeidung der Säureausströmung sind die Türme mit einer Haube abgedeckt, unter welcher eine Brause zur Zerteilung des Wassers hängt. Die Einwirkung der mit Wasser auf das etwa 20fache verdünnten Lauge auf das Holz findet in großen stehenden oder liegenden Cylinder- oder Kugelkochern statt. Zuerst unterwirft man die eingefüllten Holzscheiben einem Dämpfungsprozeß während 2 Stunden. Nachdem das hierbei entstandene Kondensationswasser abgelassen ist, füllt man den Kessel mit der Sulfitlauge und kocht darauf den Inhalt etwa acht Stunden mittels Dampf, der durch Röhren strömt, die im Kocher liegen, und der eine solche Spannung hat, daß im Kessel etwa zwei Atmosphären Überdruck, entsprechend einer Temperatur von 120°, entsteht. Nach der Kochung wird erst die Lauge abgelassen, darauf der Kessel entleert und der fertige Sulfitstoff zum Auswaschen in große hölzerne Bottiche geschafft. Von großer Wichtigkeit ist die Ausfütterung der Kocher mit einem Material, welches der Säure Widerstand leistet und entweder aus Blei oder säurefesten Steinen besteht.

Nach dem Waschen unterwirft man den Sulfitstoff einem Zerkleinerungs- (Auflösungs-) Prozeß entweder in einem Stampfwerk oder einer dem Holländer nachgebauten Maschine, einem Mahlgang, einem Kollergang, oder endlich besondern Apparaten, unter denen der sogen. Quirl bemerkenswert ist. Derselbe besteht dem Wesen nach aus einem aufrecht stehenden cylindrischen Gefäß, in dessen Innern Schlagstifte festgeschraubt sind, und aus einer in der Cylinderachse drehbar gelagerten Welle mit Schlagstäben, die sich an den Stiften vorbei bewegen. Der mit Wasser gehörig verdünnte Stoff passiert das Gefäß von unten nach oben und wird dabei zwischen den Stiften und Schlägern ohne jede Beschädigung aufs feinste verteilt. Nach einer andern Methode zum Zerfasern und Reinigen wird das erstere durch eine sanft rüttelnde Bewegung gelockert, indem der Stoff durch vertikale Abteilungen hindurchgetrieben wird, in denen sich feste und bewegliche Wellbleche befinden, zwischen welchen derselbe eine hin und her rollende Bewegung erhält, die ein Zerreiben bewirken. Nach diesem Zerreiben gelangt der Stoff in vertikale, mit Bürsten ausgeschlagene Cylinder, in welchen rotierende Bürstenwalzen die Auflockerung vollenden. An diesen Bürstenapparat schließt sich sodann ein Trommelsieb an, durch welches die unbrauchbaren, staubartigen Teile fortgewaschen werden. Die fertige Masse muß nach der Feinheit der Fasern eine Sortierung erfahren und deshalb Schüttel- oder Trommelsiebe von verschiedener Maschengröße passieren. Für den Versand endlich ist noch eine Entwässerung erforderlich, welche in der Regel auf einer einfachen Langsiebpapiermaschine ohne Rüttelung in Verbindung mit Walzenpressen oder durch eine Art Zentrifuge erfolgt. Die Erfahrung hat die Vermutung bestätigt, daß der Sulfitstoff an Brauchbarkeit für Papiere von größerer Dauerhaftigkeit und Festigkeit den durch Kochen von Holz mit Natronlauge gewonnenen Natronzellstoff nicht erreicht. Aus diesem Grunde hat die Herstellung des letztern wieder einen größern Umfang angenommen und mehrfache Verbesserungen hervorgerufen. Dazu gehört als eine der wichtigsten die Zusammensetzung der Kochflüssigkeit, bei der ein Teil der Soda durch Schwefelnatrium ersetzt wird, um eine größere Schonung der Fasern zu erreichen, so daß der auf diese Weise erzeugte sogen. Sulfatstoff stark in Aufnahme gekommen ist. Nach Dahls Verfahren gewinnt man den Stoff, indem man zerschnittenes Holz unter einem Drucke von 5–10 Atmosphären 30–40 Stunden mit einer aus 27 Teilen schwefelsaurem Natron, 8 kohlensaurem Natron, 24 Ätznatron und 28 Schwefelnatrium bestehenden Lauge von 6–14° Beaumé kocht. Die gebrauchte Lauge wird zur Wiedergewinnung abgedampft und kalciniert.

In der Verarbeitung der Hadern ist neuerdings das elektrische Bleichverfahren von Hermite in Anwendung gekommen, welches darauf beruht, daß eine fünfprozentige wässerige Lösung von Chlormagnesium, dem elektrischen Strom ausgesetzt, Chlor und Sauerstoff abscheidet, die sich am positiven Pol vereinigen und eine stark bleichende Wirkung ausüben. Die wichtigste Arbeit besteht im Mahlen des Stoffes in den Holländern, mit denen man aus naheliegenden Gründen nur ungern Änderungen vornahm. Nichtsdestoweniger sind eine Menge Neukonstruktionen zu verzeichnen, unter welchen einige sehr bemerkenswerte Resultate den alten Einrichtungen gegenüber aufweisen. Als Material zu den Messern wird vielfach dem Stahl die Phosphorbronze vorgezogen, und werden die Messer viel zahlreicher (bis 80) auf einer Walze sowie des bessern Angriffs wegen nach Schraubenlinien angeordnet. Um eine möglichst

Fig. 1. Hoyts Holländer.

schnelle und gleichmäßige Zirkulation des Zeuges zu erzielen, ist ein Holländersystem entstanden, bei dem das Zeug nicht in horizontaler, sondern in vertikaler Richtung kreist. Eine bewährte Konstruktion (System Hoyt) dieser Art von Voith in Heidenheim besteht dem Wesen nach (Fig. 1) aus dem Holländertrog AB, der durch eine horizontale Scheidewand cc in zwei Abteilungen a und b geteilt ist, die an den Enden ineinander übergehen und einen endlosen vertikalen Kanal bilden. An einem Ende dieses Kanals liegt die Holländerwalze h mit dem Grundwerk n und dreht sich in der Pfeilrichtung. Hierbei wird nicht nur ein gleichmäßiges Mahlen erzielt, sondern auch das Zeug von der Walze gehoben und in die obere Abteilung und somit in einen ununterbrochenen Kreislauf gebracht.

Auf Grund umfangreicher Versuche und Studien ist die Ansicht berechtigt, daß die Harzleimung im Stoffe durch Ausscheidung feiner Harzteilchen erfolgt, welche bei dem Trocknen auf den heißen Trommeln der

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0726.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2021)