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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

Regenten und des Kardinals Dubois bis 1717 darstellenden Buche fast nur aus englischen Quellen und gelangt infolge der Nichtberücksichtigung der französischen und spanischen Archivalien zu keiner vollständigen Übersicht. A. Sorel, der ausgezeichnete Geschichtschreiber der Revolution, ist mit seinem großen Werk: „L’Europe et la Révolution française“, bis zum dritten Bande (Par. 1891) gelangt, der unter dem Spezialtitel: „La guerre aux rois“ den Krieg von 1792/93 darstellt; vielfach sich mit Sybel berührend, weicht er doch natürlich in zahlreichen Beziehungen von dem deutschen Geschichtschreiber ab. H. Wallon hat ein großes Werk: „Les représentants du peuple en mission et la justice dans les départements“, durch dessen genaue und gewissenhafte Schilderung man eine volle Vorstellung von dem erhält, was in den Schreckensjahren unter dem Namen der Rechtspflege in den Provinzen verbrochen wurde, mit dem fünften Bande (Par. 1890) abgeschlossen. Die interessanten „Mémoires du général Tercier“, bearbeitet von C. de la Chanonie (Par. 1891), führen ein in das Leben der Emigranten und in die wilden Kämpfe der Chouans. H. Taine hat von seinem großen, in zahlreichen Auflagen verbreiteten Werke „Les origines de la France contemporaine“, das immer eine der bedeutendsten Leistungen der neuern französischen Historiographie bleiben wird, den dritten Hauptteil begonnen, der das Régime moderne behandelt; der erste Band (Par. 1890) gibt eine kunstvolle Charakteristik Napoleons I. und eine feinsinnige und geistvolle Analyse der Grundlagen der Napoleonischen Staatseinrichtungen, gestaltet sich aber auch zu einer scharfen Kritik dieser das französische Leben noch heute beherrschenden Institutionen. Eine „Histoire parlementaire de la deuxième République“ von E. Spuller (Par. 1891) behandelt die Geschichte der gesetzgebenden Versammlung vom 25. Mai 1849 bis zum Staatsstreich 2. Dez. 1851. Der Graf d’Hérisson vereinigt unter dem Titel „Napoléon IV“ (Par. 1891) allerhand Materialien zur Geschichte des unglücklichen Prinzen, der sein Leben in Südafrika beschloß: leider sind seine Quellen nicht immer zweifelsfrei und seine Angaben häufig unzuverlässig. Zum Schluß erwähnen wir noch, daß von den interessanten kulturhistorischen Skizzen, die A. Franklin unter dem anspruchslosen Titel: „La vie privée d’autrefois“ erscheinen läßt, drei neue Bändchen vorliegen (Par. 1890–91), in denen die Zustände der öffentlichen Gesundheitspflege, die gastronomischen und die medizinischen Verhältnisse des alten Paris und seiner Bürger auf Grund sorgfältigster Studien beleuchtet werden.

England. Die große Zahl populärer Handbücher der englischen Geschichte ist durch ein ganz ausgezeichnetes von R. S. Gardiner, „A student’s history of England“ (Lond. 1891, 2 Bde.), vermehrt worden. Eine Biographie des heil. Anselm von Canterbury hat in französischer Sprache der P. Ragey veröffentlicht (Par. u. Lyon 1890), in der auch die Schriften des großen Kirchenfürsten eingehend behandelt und gewürdigt sind. Der Standpunkt des Verfassers ist freilich kein ganz unbefangener, auch schenkt er den Angaben der alten Lebensbeschreibung Anselms von Eadmer wohl zu viel Vertrauen. M. Brosch hat die Fortsetzung der nur bis zum Beginn der Neuzeit reichenden englischen Geschichte von Lappenberg-Pauli übernommen; der erste Band (Bd. 6 des ganzen Werkes) umfaßt das 16. Jahrh., also die Regierungen Heinrichs VIII. und der Elisabeth: ein Buch, dem es weder an Fleiß noch an redlichem Streben, der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden, fehlt, das aber doch den frühern Arbeiten desselben Verfassers nicht ganz gleichwertig ist. Dieser Zeit gehören noch einige beachtenswerte Biographien an: Bridgett, „Life of J. Fisher, Bishop of Rochester“ (Lond. 1890); Derselbe, „Life and writings of Sir Th. More“ (das. 1891); E. T. Bradley, „Life of Lady Arabella Stuart“ (das. 1890), denen sich natürlich wieder einige Maria Stuart-Leben, die wir nicht aufzählen, zur Seite stellen. A. Zimmermanns „Maria die Katholische“ (Freiburg 1890) ist ein ultramontaner Rettungsversuch dieser Fürstin, der als durchaus mißlungen bezeichnet werden muß. Von Bagwells großem Buch: „Ireland under the Tudors“, sind drei Bände erschienen (Lond. 1890). Aus dem 17. Jahrh. erwähnen wir einen beachtenswerten Quellenbeitrag zur Revolutionsgeschichte, den die „Clarke Papers“, herausgegeben von C. H. Firth (Lond. 1891), liefern; es ist der handschriftliche Nachlaß von W. Clarke, der 1647–49 Sekretär des Armeerats war und 1651–60 als Sekretär General Moncks und der schottischen Armee fungierte. Interessante Studien über Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung während der Republik und des Protektorats veröffentlicht F. A. Inderwick: „The Interregnum“ (Lond. 1891). Die große „History of England in the XVIII. century“ von W. H. Lecky ist mit Bd. 7 und 8 (Lond. 1891) abgeschlossen; die beiden Bände beziehen sich auf die Geschichte Irlands am Schluß des vorigen Jahrhunderts, die ganz unbefangen darzustellen einem Engländer auch bei den besten Bemühungen schwer fällt. Ohne eigentlich wissenschaftlichen Wert ist die „History of the Four Georges“ von Justin Mc Carthy (Lond. 1889 ff.), der nur journalistische Verdienste zukommen. Von einer der Hauptquellen zur Geschichte des 18. Jahrh., den „Letters of Horace Walpole“, ist eine neue Ausgabe in neun Bänden erschienen (Lond. 1891); die Briefe sind hier wenigstens chronologisch geordnet. Sonst sind namentlich noch zahlreiche Biographien von Staatsmännern des 19. Jahrh. erschienen: wir erwähnen diejenigen Lord Melbournes von H. Dunckley (Lond. 1891), Disraeli-Beaconsfields von J. A. Froude (das. 1890) und Sir W. Fraser (das. 1891), Sir Stafford Northcotes von A. Lang (das. 1890) und Gladstones von J. B. Smith (das. 1890). Von der Kirchengeschichte Englands von R. Dixon ist der vierte Band erschienen, der die Zeiten der Königin Maria umfaßt (Lond. 1891); A. Bellesheim hat eine sehr gelehrte Geschichte der katholischen Kirche in Irland (Bd. 1, Mainz 1890) zu schreiben begonnen. Von den Arbeiten zur Verfassungsgeschichte nennen wir nur Ch. Groß’ „The Gild Merchant“ (Oxf. 1891), eine auf langjährigen Studien beruhende Geschichte der englischen Kaufgilden, die für die Erkenntnis der Entwickelung des englischen Städtewesens von erheblicher Bedeutung ist.

Papsttum. Eine als Manuskript gedruckte Untersuchung: „War Gregor VII. Mönch?“ von W. Martens (Danz. 1891), verneint die aufgeworfene Frage im Gegensatz zu der bisher herrschenden Meinung. U. Robert, der sich seit vielen Jahrzehnten mit den Urkunden Calixtos II. beschäftigt, hat mit einer neuen Ausgabe derselben („Bullaire du pape Calixte II“) gleichzeitig eine „Histoire du pape Calixte II“ (Par. 1891) erscheinen lassen, die auf guten Studien beruht und besonders eingehend dessen Beziehungen zu Heinrich I. von England und Heinrich V. von Deutschland behandelt, ohne jedoch erhebliche neue Resultate

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0463.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2024)