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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19

geraumer Zeit ab. Schon für den Durchschnitt der Jahre 1878–81 berechnete Neumann-Spallart den Gesamtwert der Ernten auf über 27 Milliarden Mk. Und wenn auch die Werte in nachfolgenden Jahren sehr beträchtlich unter diese kolossalen Ziffern heruntergegangen sind, so hat in den letzten Jahren wiederum infolge gewaltig anschwellender überseeischer Erträge bei gleichzeitiger Steigung der Kornpreise diese Summe sich noch weit über jenen gewaltigen Betrag gehoben. Mit dieser zunehmenden Produktion bei nebenhergehendem Anwachsen der zufuhrbedürftigen Volksmassen hat der Getreidehandel einen ungeahnten Aufschwung genommen. Unser genannter Gewährsmann hat berechnet, daß die Gesamtmenge des in den Handelsverkehr gelangenden Brotgetreides 42 Mill. kg im Werte von 5534 Mill. Mk. noch erheblich übersteigt. Die Teilnahme an diesem großartigen Handel ist eine so allgemeine, daß kein Land der Erde davon ausgeschlossen ist. Für den Welthandel kommen insbesondere die nachfolgenden Länder in Betracht:

Welthandel mit Getreide und Mehl 1888.
  Gesamt­menge in Mill. Kgr. Wert in Millionen Mark
Einfuhr Ausfuhr Gesamt­umsatz
Großbritannien 7540 1047,2 [WS 1]114,8 1062,0
Rußland 8640 1,9 796,4 798,3
Vereinigte Staaten 4284 33,7 520,3 554,0
Niederlande 2605 322,7 173,6 496,3
Britisch-Indien 2187 2,5 310,1 312,6
Frankreich 3259 299,8 11,7 311,5
Belgien 2039 237,6 73,8 311,4
Österreich-Ungarn 1316 10,7 269,1 279,8
Deutsches Reich 2066 211,8 34,8 246,6
Rumänien 1647 0,8 166,4 167,2
Italien 799 128,4 10,2 138,6
Australien 802 42,1 85,0 127,1
Kanada 820 30,7 71,5 [WS 2]100,2
Schweiz 465 82,5 1,5 84,0
Spanien 384 55,0 8,2 63,2
Argentinien 351 0,3 58,4 58,7
Schweden 422 30,7 19,9 50,6
Dänemark 414 32,9 17,4 50,3
Bulgarien 430 0,1 38,1 38,2
Europäische Türkei 46 17,1 19,3 36,4
Algerien 213 8,7 27,0 35,7
Norwegen 314 34,6 0,8 35,4
Ägypten 229 6,0 22,4 28,4
Griechenland 149 27,0 0,2 27,2
Japan 231 2,4 23,7 26,1
Portugal 149 23,2 0,8 24,0
Chile 123 22,0 22,0
Finnland 161 12,4 4,5 16,9
Tunis ? 5,8 3,5 9,3
Uruguay 46 0,5 6,6 7,1
Tripolis ? 4,2 4,2
Serbien 94 0,2 8,7 8,9
Zusammen: 42279 2713,5 2820,7 5534,2

Getreidesamenzucht. Das Ziel der G. ist die systematische Veredelung der Getreidearten durch Verbesserung älterer bewährter Sorten und durch Züchtung neuer besserer Sorten, um gutes Saatgut zu beschaffen, allgemein zu verbreiten und durch Ausfuhr von Saatware den Reinertrag der Landwirtschaften zu heben. Im Deutschen Reiche befaßt sich die Saatgutabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft imt der Einleitung von Saatwechsel- und Getreideanbauversuchen, in Österreich zum Teil der Verein zur Förderung des landwirtschaftlichen Versuchswesens in Wien und E. v. Proskowetz in Kwassitz mit Gersteveredelungsversuchen, in Schweden der Allgemeine schwedische Saatzuchtverein in Svalöf (Provinz Schonen) und der Samenzuchtverein Mittelschwedens in Örebro mit der Veredelung von Getreidearten und Futterpflanzen. Demselben Zwecke dienen auch die allgemeinen nordischen Samenkongresse (1. Borås 1880, 2. Sundswall 1882, 3. Drontheim 1887) und zahlreiche Veranstaltungen in andern Ländern. Vergleichende Anbauversuche haben zunächst den relativen Wert der Getreidevarietäten und -Sorten für verschiedene klimatische und Bodenverhältnisse festzustellen. Die bewährten Sorten werden nach der Selektionsmethode der weitern Veredelung unterzogen. Nach der als vollkommenste geltenden Veredelungsmethode von Th. Bruun von Neergard werden zunächst die Pflanzen ausgewählt: 1) nach der Halmbildung (nur 2 bis 3 Halme); 2) nach dem Mehligkeitsgrad (mit dem Diaphanoskop bei durchfallendem Lichte geprüft); 3) nach botanischen Kennzeichen an losen Körnern, um sortenreine und gleichförmige Samen zu erhalten; dann wird die Zuchtwahl der ganzen Ähre vorgenommen und zwar: 1) nach botanischen Charakteren; 2) nach Gewicht, indem bei derselben Sorte das Gewicht von Spindel, Spelzen etc. konstant, dagegen das Gewicht der Körner je nach Entwickelung verschieden ist; 3) nach der morphologischen Zusammensetzung der Ähre, resp. relativen Dichtigkeit der Ähren (Ährchenzahl und Körnerzahl auf je 100 mm Ährenlänge), ermittelt mit dem Klassifikator, einer Art Rechenschieber (Hand in Hand mit größerer Ährendichtigkeit geht eine größere Biegungsfestigkeit des Halmes, so daß eine Auswahl nach diesen Momenten zu gleichförmigem Körnerbesatz und zu Widerstandsfähigkeit gegen das Lagern führt). Schließlich wird die Auswahl der Körner getroffen und zwar: 1) nach botanischen Kennzeichen; 2) nach dem Standort an der Ähre, zu welchem Zwecke mit dem Ährchensortierer das die besten Körner enthaltende mittlere Drittel der Ähre festgestellt wird; 3) nach der Größe mit Siebmaschinen; 4) nach dem Gewicht (pro 1000 Körner); 5) nach der Mehligkeit mit dem Diaphanoskop (glasige Körner liefern höhere und kräftigere Pflanzen und höhern Ertrag); 6) nach der Reinheit von fremden Beimengungen (fremde Samen, Unkraut etc.); 7) nach der Keimkraft und Keimungsenergie, wozu bei Gerste und Hafer die Feststellung des Kern- und Spelzengehalts, bei Hafer die Scheidung von Außen- und Innenkörnern, da das zwischen den Hüllspelzen außen sitzende Korn vollkommener als die innen sitzenden Körner sind, und bei Weizen noch die Backfähigkeit kommen.

Über die Verteilung des Korngewichts in den Ähren kommt Rümker zu folgenden Resultaten: 1) Das Korngewicht an den Fruchtständen unsrer Getreidearten scheint in den verschiedenen Zonen der Spindel mit fast gesetzmäßiger Regelmäßigkeit verteilt zu sein. 2) Bei Gerste und Weizen sitzen die schwersten Körner nicht in der Mitte, wie bislang angenommen wurde, sondern in der untern Hälfte der Ähren. Bei Hafer dagegen scheinen zwar die großen Körner gleichmäßig über die ganzen Rispen verteilt zu sein, doch sind stets die Außenkörner, d. h. die primären, unter der äußersten Spelze sitzenden, schwerer als die darunter gebildeten zweiten und dritten Körner. 3) Einer der wichtigsten Punkte bei der Auslese der Eliteähren ist die Berücksichtigung des Ährengewichts, da die schwersten Körner in den schwersten Ähren zu sitzen pflegen.

Bei der Veredelung von Pflanzensorten und der Neubildung von Pflanzenrassen durch Zuchtwahl, spontane Variationen oder künstliche Kreuzung hat

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Damit die Summen stimmen, müsste dieser Wert 14,8 lauten.
  2. Damit die Summen stimmen, müsste dieser Wert 102,2 lauten.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 19. Bibliographisches Institut, Leipzig 1892, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b19_s0406.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)