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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Untersuchungen von R. Credner über die Reliktenseen ist es jedoch sehr wahrscheinlich gemacht, daß Bestandteile einer Meeresfauna auch auf Flüssen und andern Wegen in einen S. gelangen können, so daß faunistische Befunde allein noch nicht als entscheidend für die frühere Meereszugehörigkeit jetziger Binnenseen angesehen werden dürfen; der Beweis, daß ein Seebecken ein festländisch gewordener Teil frühern Meeresbodens ist, kann vielmehr nur auf geologischer Grundlage geführt werden. Die echten Reliktenseen lassen sich vom genetischen Standpunkt aus nach ihrer Entstehung und Bildung in drei Abteilungen gliedern: 1) Reliktenseen, entstanden durch Abschnürung von Meeresteilen, sei es durch Abdämmung von Meeresbuchten oder allseitige Umschließung von Teilen des offenen Meers, z. B. durch Korallenbauten. 2) Reliktenseen, entstanden durch das Emportauchen von beckenförmigen Vertiefungen des Meeresbodens infolge negativer Niveauveränderung des Meers. Dahin gehören unter andern der Wener- und Wettersee. 3) Reliktenseen, entstanden durch Einschrumpfen von Meeresräumen zu kleinern, vom Meer unabhängigen Seebecken. In der Weise bildeten sich das Kaspische Meer, der Aralsee und manche Salzseen des Hanhai heraus. Bezüglich der Tiefenverhältnisse und Beckengestaltung sind die Seen der Alpen und einiger deutscher Mittelgebirge am genauesten durchforscht. Neuere Messungen haben Zahlen geliefert, die von den frühern in betreff der Maximaltiefe etwas abweichen und hier mitgeteilt werden mögen:

Baikalsee 1373 m
Kaspisches Meer 946
Lago Maggiore 850
Gardasee 825
Comersee 588
Totes Meer 560
Zuger See 390
Ladogasee 375
Albanersee 340
Genfer See 334
Oberer See 310
Michigansee 300
Iseosee 300

Für die Vogesenseen stellen sich die Tiefen auf:

Weißer See 60 m
Schwarzer See 45
Belchensee 23
Sternsee 17
Sulzersee 15
Die Neuweither 12
Sewensee 12

Die Seiten der Becken besitzen im großen und ganzen dieselbe Böschung wie die begrenzenden Ufer, jedoch

Fig. 1. Isobathen des Weißen Sees.

sind plötzliche Steilabstürze nicht ausgeschlossen. An den Stellen, wo Flüsse und Bäche einmünden, verflacht sich der Boden infolge der eingeschwemmten Massen ganz allmählich. Der Seeboden ist bei vielen Becken auf weite Strecken hin eben, doch gibt es auch Beispiele, in denen der Grund sich von allen Seiten gleichmäßig zur Mitte senkt, während in einigen Seen unterseeische Erhebungen vorkommen, die entweder isoliert sind oder rückenartig sich durch den S. ziehen und denselben in mehrere gewöhnlich ungleich tiefe Becken zerteilen. Die nebenstehende Skizze der Isobathen des Weißen Sees (Textfig. 1) veranschaulicht am besten die Böschungsverhältnisse eines tektonischen Sees.

Das Wasser der Seen ist gewöhnlich süß. Doch gibt es, von den großen Binnenmeeren ganz abgesehen, auch salzige Seen, aus deren Wasser teils reines, teils auch durch salzsauren Kalk, Bittererde, schwefelsaures Natron verunreinigtes Kochsalz gewonnen wird. Am häufigsten kommen Seen dieser Art in Asien in der Kirgisensteppe vor. Natronseen gibt es außer in Ägypten auch in Ungarn. Eine reiche Natrongewinnung knüpft sich an den Kratersee, der in der Nähe von Nagtown im Staat Nevada liegt, eine Tiefe von 50 m hat und im Durchmesser 1000–1200 m an der Wasserfläche mißt. Von den noch existierenden Seen des Great Basin im N. des hydrographischen Beckens des quaternären Lahontansees sind einige reine Süßwasserseen, die meisten haben etwas brackiges und alkalisches Wasser.

Was die physikalischen Eigenschaften des in den Seen enthaltenen Wassers angeht, so richtet sich die Temperatur im allgemeinen nach den Jahreszeiten. Im Innern der Wassermasse bedingt die Wärmeverschiedenheit eine vertikale Zirkulationsbewegung durch Konvektionsströme. Süßwasser erreicht bekanntlich bei 4° seine größte Dichte; liegt Wasser von 4° über solchem, das höher temperiert ist, so sinkt ersteres unter, während das wärmere Wasser seine Stelle einnimmt. Setzt sich der Abkühlungsprozeß längere Zeit hindurch fort, so bildet sich für tiefere Seen von einer gewissen Tiefe ab eine ziemlich gleichmäßige Temperatur heraus. Die Bodentemperatur sinkt nie unter die Minimaltemperatur des Winters, für den Genfer S. beträgt dieselbe 5–5,2° C. Nachdem in den kalten Wintern 1879/80 und 1885/86 die Temperatur der ganzen Wassermasse etwas herabgedrückt war, trat eine Erwärmung in der Zwischenzeit ein, die einen Wert von 0,1–0,2° im Jahr erreichte. Das Eindringen der Wärme in die tiefern Schichten des Sees rührt von einer mechanischen Mischung des warmen Oberflächenwassers mit dem kalten Wasser der Tiefe her, die hauptsächlich unter Einfluß des Windes vor sich geht. Die Wärme dringt schnell in die obersten Schichten bis zu 50 m Tiefe ein, die jährliche Wärmeschwankung nimmt mit der Tiefe rasch ab und ist bei 100 m ganz gering, doch selbst am Grund noch etwas merklich. Während in den größern Seen die Hauptmasse des Wassers in der Regel auch im Winter über 4° temperiert ist, findet am Ufer überall eine bedeutend tiefere Abkühlung statt. Dieses Strandwasser ist von der Hauptmasse durch eine vom Grund bis zur Oberfläche reichende thermische Barre von 4° getrennt, die wie ein Wall um den tiefen Teil des Sees herumläuft. Die Erwärmung

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 752. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0756.jpg&oldid=- (Version vom 8.12.2024)