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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

die Transpiration herabgesetzt wird, und die als solche bereits oben genannt sind; die Mittel der Haarbekleidung, der Vertikalstellung der Blätter u. a. machen sich auch als Regulatoren der Beleuchtung geltend. Eine und dieselbe Pflanzenart entwickelt unter dem Einfluß eines sonnigen oder schattigen Standortes verschieden gebaute Blätter, welche eine Schutzwirkung gegen zu grelles Licht deutlich erkennen lassen. Auch die Ausbildung roter und violetter Farbstoffe in stark belichteten Blättern, z. B. von Satureja hortensis, bezweckt Lichtdämpfung. Als Schattendecke gegen zerstörende Lichtstrahlen scheinen auch die Farbstoffe zu fungieren, die bei zahlreichen Pflanzenarten (Walnuß, Wein, Kirschbaum, Päonie, Ampferarten u. a.) eine gelbe oder braune Färbung des jugendlichen Laubes veranlassen. Ebenso nehmen die Chlorophyllkörper immergrüner Gewächse während des Winter- oder Sommerschlafs eine gelbbraune oder braunrote Färbung an und ballen sich in größern oder kleinern Klumpen in den Palissadenzellen des Blattes zusammen. Endlich tritt in einjährigen Laubblättern vor dem Abfallen derselben und der damit verbundenen Entleerung an Kohlehydraten und Eiweißstoffen eine ähnliche Gelb-, Rot- oder Braunfärbung ein, so daß vermutlich alle diese Farbstoffe für die Schutzwirkung der im Innern der Chlorophyllzellen sich abspielenden chemischen Vorgänge gegen Lichtüberschuß Bedeutung haben.

Den meisten Pflanzenteilen ist ferner Schutz gegen Wärmeverlust notwendig, und die Bildung eines Periderm-, Kork- oder Borkenmantels an Holzzweigen und Baumstämmen, die Haar-, Filz- und Harzbekleidungen der Knospenschuppen, die Bergung aller zarten, das Wachstum fortsetzenden Gewebepartien unter schützende Decken erscheinen aus genanntem Grund leichtverständlich. Manche Blüten nehmen, um während der Nacht durch Wärmeausstrahlung nicht geschädigt zu werden, durch Nutation ihrer Blütenstiele eine zur Erde gerichtete Stellung ein; bei vielen Kompositen schlagen sich die Hüllblätter oder Randblüten des Köpfchens zu gleichem Zweck über den mittlern Blüten zusammen. Auch die Kotyledonen mancher Keimpflanzen (Sonnenrose, Arten von Oxalis, Trifolium, Lotus u. a.), die während des Tags ihre Breitseiten nach oben kehren, legen dieselben während der Nacht aneinander, um die zwischen ihnen befindliche zarte Stengelspitze zu schützen. Ebenso können die Schlafbewegungen der Mimosen und vieler andrer Pflanzen als S. gegen Wärmeverluste, aber auch als Vorkehrungen zur Ableitung von Regentropfen, Verhinderung von zu starker Wasserverdunstung u. dgl. gedeutet werden. Schutz gegen Erfrieren gewährt den Pflanzen, abgesehen von dem Vorhandensein einer sie einhüllenden Schnee- oder Laubdecke, vor allem die Bildung unterirdischer Rhizome, auf welche sich ihr Leben während des Winters unter Absterben der oberirdischen Teile zurückzieht. Derartige Stammteile sind aus diesem Grund bei hochalpinen und hochnordischen Gewächsen im Vergleich zu den oberirdischen besonders stark ausgebildet. Wasserpflanzen erreichen dasselbe dadurch, daß sie, wie z. B. Potamogeton crispus (s. Tafel, Fig. 3), in Form von kleinen, wohlverwahrten Winterknospen unter Absterben der übrigen Teile in den Schlamm am Grunde der Gewässer sich verstecken und auf diese Weise trefflich gegen die Winterkälte geschützt sind.

Von Spezialschutzeinrichtungen sind besonders diejenigen bemerkenswert, welche den jungen Pflanzenkeim (Embryo) und seine Ernährungsorgane innerhalb der Samenschale umgeben, oder welche die Befestigung des Samens beim Keimen an geeigneter Stelle sichern. Zahlreiche spezielle S. besitzen die Blüten, deren Pollen besonders durch Nässe geschädigt wird, weshalb in zahlreichen Fällen, z. B. durch Bildung hängender Glöckchen, durch dichten Schluß der Blütendecken, z. B. bei Trollius europaeus (s. Tafel, Fig. 4 b), durch starke Verengerung oder durch einen Haarbesatz des Blüteneinganges, z. B. bei Aretia glacialis (s. Tafel, Fig. 4 c u. d), das Eindringen von Regen und Tau in den Blüteninnenraum verhindert wird (Schutzmittel des Pollens). In andern Fällen übernehmen nicht die Blütenteile selbst, sondern die ihnen benachbarten Hüllblätter die Rolle von Pollenschutzorganen. Bei der im Himalaja einheimischen Aracee Ariopsis peltata (s. Tafel, Fig. 4 a) bildet das Hüllblatt eine Art von umgekehrter Barke, welche den darunter befindlichen Blütenkolben vor Nässe schützt. Die strahlenförmigen, innen silberweiß glänzenden Hüllblätter der Wetterdistel (s. Tafel, Fig. 5) breiten sich bei trocknem, sonnigem Wetter flach aus (a), schließen sich dagegen bei Feuchtigkeit infolge von Änderungen ihrer Gewebespannung zu einem aufrechten Hohlkegel (b) zusammen und schützen dadurch die unter ihnen befindlichen Blütenteile vor Regen. Ähnliche Schließbewegungen führen auch die Blüten des Safrans (s. Tafel, Fig. 6) aus, die im geschlossenen Zustand (a) ein Gewölbe bilden, an dessen Außenseite das Wasser abfließt, während sie sich bei warmem, trocknem Wetter strahlenförmig ausbreiten (b). In den zuletzt genannten Fällen wird durch den Schließungsvorgang nicht nur Pollenschutz erreicht, sondern auch die Beschädigung zarter innerer Blütenteile verhindert.

Unter den S. gegen die Angriffe von Tieren stehen die Stachel- und Dornbildungen obenan. Teils entwickeln sich dieselben an den zu schützenden Pflanzenteilen selbst, indem laublose, rutenförmige, am Ende in Dornen auslaufende Stengel oder stachelähnliche Nadelblätter (Nardus stricta, Festuca alpestris u. a.) oder ringsbestachelte Distelblattformen, wie besonders bei Kompositen und Umbelliferen, auftreten, teils übernehmen zu Dornen umgewandelte Seitentriebe den Schutz benachbarter Blätter, wie bei den Alhagi-Gebüschen der Steppen sowie auch bei dem einheimischen Weiß- und Schlehdorn. Die im Mittelmeergebiet häufigen Phryganasträucher (Vella, Koniga, Poterium spinosum) bilden struppige Büsche, von deren Peripherie eine Menge dorniger, das darunter befindliche Laub schützender Äste abstarren. Bei den Tragantsträuchern (Astragalus-Arten) der asiatischen Hochsteppen entwickeln sich die in Dornstacheln umgewandelten Spindeln der Fiederblättchen zu einem Schutzapparat für die grünen Laubblätter des nächstfolgenden Jahrs. Bei den Kakteen der Neuen Welt und den Euphorbien Afrikas tragen die blattlosen, fleischigen Stämme oft ein ganzes Arsenal von Stacheln, Borsten und Widerhaken, das diese auch während der größten Dürre saftstrotzenden Pflanzen besonders bedürfen. Außer Stacheln und Dornen schützen auch in der Haut schmerzhaft wirkende Angel- u. Stechborsten sowie die Brennhaare der Urtica-Arten die Pflanzen vor dem Angriff von Weidetieren.

Neuerdings wurden auch die S. gegen die Angriffe pflanzenzerstörender niederer Tiere, wie besonders der Schnecken, näher untersucht. Durch Beobachtungen im Freien und durch Fütterungsversuche stellte Stahl für eine Reihe von Nacktschnecken (Arion und Limax) und Gehäuseschnecken (Helix pomatia, H. hortensis und ähnliche Arten) fest, daß diese sehr gefräßigen Tiere, welche im stande sind, in einem Tag

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0748.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2023)