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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Schlägt man nach Kerner von zwei gleichen, gleich stark von der Sonne erwärmten, unterseits weißfilzigen Brombeerblättern das eine mit der grünen Seite nach außen um die Kugel eines Thermometers, das andre mit der weißen Seite nach außen um ein zweites Thermometer, so zeigt ersteres nach kurzer Zeit 2–5° mehr als letzteres, wodurch der Einfluß des trocknen Haarkleides auf die Herabsetzung der Erwärmung in stark behaarten Pflanzenteilen augenscheinlich wird. Auch durch Bepanzerung mit lufterfüllten, blasenförmigen Kieselzellen, wie bei Rochea, kann die Verdunstung beschränkt werden. Ein andres hierher gehöriges Mittel der Pflanze zur Herabsetzung der Transpiration besteht in der Verkleinerung und schließlichen Verkümmerung der grünen, assimilierenden Blattflächen, wie bei den Kasuarineen, bei Ephedra, Arten von Retama, Genista, Cytisus, Spartium, auch bei Equisetum u. a., deren rutenförmige, dünne Stengel dann die Funktion der Blätter übernehmen. Auch Dickblätter (bei Sedum und Sempervivum) und fleischige, blattlose Stengel von kugeliger, säulen- oder scheibenförmiger Gestalt bei Kakteen oder Euphorbien ermöglichen den gleichen Zweck, der dann durch starke Verdickung der Außenhaut und Ausbildung großer, innerer Wasserspeicher noch erheblich erleichtert wird. Durch hohen Salzgehalt ihres Zellsaftes, durch welchen die Verdunstung des Wassers verhindert wird, ermöglichen es die Salsoleen der Salzsteppen trotz größter Trockenheit monatelang sich grün und saftstrotzend zu erhalten. Ein ferneres Mittel gegen Wasserverlust bilden die vertikal gestellten Flachsprosse (Phyllokladien) bei Ruscus- und Acacia-Arten, bei Colletia cruciata (s. Tafel, Fig. 1) etc., da durch diese Stellung bei senkrechtem Stande der Sonne zur Mittagszeit die geringstmögliche Erwärmung und Verdunstung bedingt wird. Aus gleichem Grund stellen sich die Blattflächen vieler australischer Myrtaceen und Proteaceen (Eucalyptus, Banksia u. a.) senkrecht, und auch die sogen. Kompaßpflanzen (Silphium laciniatum, s. Tafel, Fig. 2, Lactuca Scariola u. a.) drehen ihre Blattflächen aus derselben Ursache in die Meridianebene; für das Leben derartiger Gewächse hat diese Stellung nach Kerner den Vorteil, daß die Blattflächen von den am kühlen und relativ feuchten Morgen und Abend nahezu senkrecht einfallenden Sonnenstrahlen wohl durchleuchtet, aber nicht stark erwärmt und nicht übermäßig zur Transpiration angeregt werden, während dagegen zur Mittagszeit, wenn die Blätter nur im Profil von den Sonnenstrahlen getroffen werden, auch die Erwärmung und Transpiration stark herabgesetzt sind. Übrigens tritt an feuchten, schattigen Orten, wo die Gefahr übermäßiger Verdunstung nicht vorhanden ist, die Drehung und Meridianstellung der Blätter nicht ein. Endlich gehört auch das periodische Einfalten vieler Grasblätter, von Sesleria, Arten von Avena, Festuca, Stipa u. a., hierher, welche am Morgen rinnenförmig oder flach ausgebreitet sind, während sie bei abnehmender Luftfeuchtigkeit gegen Mittag sich der Länge nach entweder nur längs der Mittelrippe oder mit mehreren parallelen Rinnen zusammenfalten; die Spaltöffnungen liegen in diesem Fall immer nur innerhalb der Rinnen, und der Einfaltungsmechanismus scheint durch Turgeszenzänderungen bestimmter, im Grunde der Rinnen befindlicher, chlorophyllloser, aber wasserreicher Zellgruppen ausgelöst zu werden; auch einige Moosblätter (Polytrichum) besitzen eine Schutzvorkehrung, durch welche sich die Blattränder bei abnehmender Luftfeuchtigkeit über die zarten, chlorophyllführenden Zellleisten der Blattmitte einschlagen. Junge, der Knospe eben entschlüpfende Blätter sind anfangs gerollt, gerunzelt oder gefaltet, häufig auch senkrecht gestellt und durch mannigfache Hüllen, wie Firnisüberzüge, Haarbekleidungen, Spreuschuppen (bei Farnen), und auch bisweilen durch große Schutznebenblätter vor zu starkem Wasserverlust gesichert. Schließlich hat selbst der Laubfall seine nächste Ursache in der Gefährdung der Transpiration, weshalb bei beginnender Dürre viele Gewächse der tropischen und subtropischen Zone ihre transpirierenden Blätter abwerfen, um ebenso eine Periode des Sommerschlafs durchzumachen wie unsre einheimischen Bäume aus ähnlicher Ursache den Winterschlaf; bei letztern wird durch Herabsetzung der Temperatur die wasseraufsaugende Thätigkeit der Wurzeln so beschränkt, daß der in den Blättern stattfindende Wasserverlust nicht mehr gedeckt werden kann und dieseluen eintrocknen. Aus diesem Grund entlaubt sich eine und dieselbe Baumart in hoher Gebirgslage früher als im Thal, weil auf der Höhe der Boden gegen den Herbst schneller an Temperatur abnimmt als in der Ebene.

Da die wichtigste Lebensaufgabe der grünen Blätter wie überhaupt aller Chlorophyll führender Pflanzenteile in der durch das Sonnenlicht bedingten Assimilation, d. h. der Kohlensäurezersetzung der Atmosphäre, besteht und für die verschiedenen Pflanzenarten dieser in den Chlorophyllzellen sich abspielende Vorgang an einen bestimmten Grad der Lichtintensität geknüpft erscheint, so begegnen wir auch einer Reihe von S. gegen Lichtmangel und Lichtüberschuß. Schon dle Chlorophyllkörper selbst sind durch Eigenschaften des sie umgebenden Plasmas einer Ortsveränderung fähig, der zufolge sie bei starker Beleuchtung eine möglichst kleine Oberfläche dem Licht gegenüber einnehmen. Möglicherweise besteht die biologische Aufgabe des so allgemein verbreiteten grünen Chlorophyllfarbstoffs überhaupt in der Rolle eines in allen assimilierenden Pflanzenzellen ausgespannten Lichtschirms, der teils gewisse, für die Kohlenstoffaufnahme notwendige Strahlenarten des Sonnenlichts absorbiert und in chemische Schwingungen umsetzt, teils als Dämpfungsvorrichtung gegen zu energische Lichtwirkungen funktioniert. Mit Lichtmangel haben besonders in schwach beleuchteten Höhlen und Grotten wachsende Pflanzen (Scolopendrium officinarum, Schistostega osmundacea oder Leuchtmoos) zu kämpfen, welche sich durch ein außerordentlich lebhaftes Grün auszeichnen; das auf die Leuchtmoospflänzchen einer dunkeln Felsgrotte einfallende Licht verhält sich nach Kerner in den Zellen desselben ähnlich wie Licht, das durch ein kleines Fenster auf eine Glaskugel im Hintergrund einer dunkeln Kammer einfällt. Teils werden die parallelen Lichtstrahlen durch Brechung zu einem Lichtkegel vereinigt, der den in denselben befindlichen Chlorophyllkörpern intensives Licht zuführt, teils werden Strahlen von den wassergefüllten Zellen durch Reflexion zurückgeworfen und veranlassen dadurch das smaragdähnliche Glitzern dieser winzigen Moospflänzchen. Bei den in großer Meerestiefe unter blauem, wenig intensivem Licht wachsenden Florideen scheint der durch starke Fluoreszenz ausgezeichnete rote Farbstoff (Phykoerythrin) derselben eine Schutzwirkung auszuüben, indem er ihren Chlorophyllkörpern Licht von umgeänderter, aber für die Assimilation geeigneter Wellenlänge zuführt. Die S. gegen Lichtüberschuß, das den Chlorophyllfarbstoff zerstört, sind in sehr zahlreichen Fällen genau dieselben, durch welche auch

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 743. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0747.jpg&oldid=- (Version vom 28.10.2023)