Seite:Meyers b17 s0736.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

sondern von der Windseite weg, etwas aus der Mitte verschoben ist. Die verbleibenden Schneeböschungen betragen 1 : 6 bis 1 : 10, und hierauf gründet sich die Möglichkeit, S. durch Abflachen der Böschungen zu vermeiden. Für das Verwehen von Einschnitten kommt wesentlich in Betracht, ob die Bahnlinie in einem stark eingeschnittenen Thal oder im flachen Land liegt. Im erstern Fall bildet sich leicht durch die Brechung des Windes an den Thalwänden ein der Thalrichtung paralleler Windstrom, welcher die Einschnitte frei fegt. Gefährdet sind dann immer Einschnitte, welche bei Krümmungen der Bahnlinie nahezu normal zur Thalrichtung oder einem Seitenthal gegenüberliegen, weil an solchen Stellen die Luftgeschwindigkeit verringert wird. Bei tiefern Einschnitten (4 m und mehr) im Hügel-, bez. Flachland tritt vollständiges Verwehen fast nie ein. Die windseitige Schneeböschung rückt zwar nach der Mittellinie hin allmählich vor, wenn der Wind nahezu senkrecht zum Einschnitt steht, endigt aber nach der Bahnseite in einer mehr oder weniger vorgeschobenen, fast senkrechten Wand

Fig. 1. Schneeablagerung in Einschnitten.
Fig. 2. Schneeablagerung in Anschnitten.

mit überhängendem Kopf (Fig. 1). Das gänzliche Zuschneien wird hier dadurch verhindert, daß der gegen die leeseitige Böschung auftreffende Wind seitwärts gebrochen wird und so eine Windströmung längs der Bahn erzeugt. Im Gegensatz dazu schneit ein Anschnitt, dessen höher gelegenes Terrain auf der Windseite liegt, vollständig in Form eines Dreiecks zu, weil hier die Längsströmung nicht auftreten kann (Fig. 2).

Die Mittel zur Verhütung der S. bestehen aus Schneewehren (Dämmen, Mauern, hölzernen Wänden von alten Schwellen, Bretterzäunen, Flechtzäunen, transportabeln Hürden, lebendigen Hecken), aber auch aus vollständigen schuppenförmigen Überbauen von Balken und Brettern. Diese Überbaue sind bestimmt, den Schnee von allen Seiten abzuhalten und event. einen Tunnel im Schnee herzustellen. Die Schneewehren (Wände, Zäune etc.) werden an den gefährdeten Stellen längs der Oberkante der Einschnitte, bez. Anschnitte so aufgestellt, daß sie bei der erfahrungsmäßig stärksten Schnee herbeibringenden Windrichtung Schutz gewähren. Nach der Art der Aufstellung tann man zwei Arten von Schneewehren unterscheiden: solche, die nur den Schnee auffangen, und solche, die ihn teils auffangen, im wesentlichen jedoch von der Bahnlinie ableiten. Die erstern werden in der Regel an Stellen angebracht, wo die gefährliche Windrichtung senkrecht zur Bahnlinie ist, und laufen parallel zur Bahn, also senkrecht zur Windrichtung. Sie müssen in gehöriger Entfernung von der Bahnmittellinie angebracht sein und selbst die gehörige Höhe haben. Bei starkem Schneefall kann auch ein einziges Wehr unzureichend sein, so daß man deren mehrere in paralleler Linie und geeignetem Abstand voneinander anbringen muß. Die andre Art Wehre wird an Stellen angewendet, wo die Windrichtung mit der Linie einen spitzen Winkel bildet. Sie sind schwierig anzubringen und erfordern oft längere Beobachtungen und Versuche, bevor die gewünschte Wirkung erreicht ist. Sie werden im Gegensatz zu der erstern Art meist ganz nahe der Bahn angeordnet und zwar entweder parallel derselben oder kulissenförmig. Einschnitte, welche verschiedenen gefährlichen Windrichtungen ausgesetzt sind, können durch gleichzeitige Anwendung von Parallel- und Kulissenzäunen geschützt werden. Zu den Vorrichtungen, welche die Schneemassen ableiten sollen, gehört auch der Schneeschirm von Howie (Fig. 3). Auf beiden

Fig. 3. Schneeschirm von Howie.

Seiten eines Einschnittes sind mittels Böcke parallel zu den Böschungen Bretterwände angebracht. Durch diese wird der Wind so abgelenkt, daß er nur durch den Einschnitt hindurchweht und so diesen von Schnee rein erhält. Der Howiesche Schneeschirm ist in Amerika und Norwegen in Anwendung und soll sich da bei eingeleisigen Bahnen sehr gut bewährt haben.

Das gebräuchlichste Werkzeug zur Beseitigung der S. ist zur Zeit der Schneepflug, besonders in Amerika. Der Schneepflug besteht im wesentlichen aus zwei vorn spitz zusammenlaufenden symmetrisch angeordneten Pflugscharen, welche den Schnee nach beiden Seiten hin aufwärts drängen. Das gebräuchliche Verfahren mit demselben besteht darin, daß man den Pflug vor eine oder, falls das nicht ausreicht, vor mehrere Lokomotiven spannt und damit in die Schneewehe hineinfährt in der Absicht, den Pflug durch die lebendige Kraft der nachfolgenden Lokomotiven hindurchzutreiben. Bei großer Geschwindigkeit wirft der Pflug den Schnee auf- und seitwärts, geringe

Fig. 4. Schematischer Vertikal­schnitt.
Fig. 5. Schematischer Horizontal­schnitt.
Fig. 4 u. 5. Lesliescher Dampf-Schneeschaufelapparat.

Mengen desselben wenige Meter über den Rand des Bahnplanums hinwegschleudernd. Sobald jedoch die Geschwindigkeit infolge der widerstehenden Schneemassen nachläßt, wird der Schnee zu beiden Seiten zu senkrechten Mauern aufgetürmt. Oft genug kommt es dabei vor, daß Pflug und Lokomotive vollständig im Schnee begraben werden und ausgeschaufelt werden müssen. Auch wird häufig da, wo die Verwehung auf einer Seite der Bahn stärker ist, der Pflug nach der entgegengesetzten Seite abgetrieben und reißt so die Lokomotive aus dem Geleise. Ebenso kann hart gefrorner oder scharf zusammengetriebener Schnee bewirken, daß der Pflug auf den Schnee aufsteigt und so gleichfalls eine Entgleisung herbeiführt. Wo der Schnee

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0736.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2023)