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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

die gewöhnliche molekulare Reibung findet überall bei mäßigen Geschwindigkeiten in regelmäßig geformten Gefäßen allein statt; die zweite Art der Reibung entsteht dadurch, daß infolge größerer Geschwindigkeiten der molekulare Zusammenhang zwischen den einzelnen Wasserschichten besonders in der Nähe der unebenen Wände zerrissen wird und abgelöste Flüssigkeitsteilchen sich fortwährend wirbelnd von der Begrenzungsfläche weg durch die übrige Flüssigkeit hindurch bewegen. Durch diese Wirbel werden Widerstände hervorgerufen, deren Wirkung auf die Flüssigkeitsteilchen im Innern nicht nur von dem mittlern Werte der Geschwindigkeit an der betreffenden Stelle, sondern auch von der Stärke der Wirbelbewegung daselbst abhängig ist. Innerhalb eines Querschnitts fließen daher nicht alle Wasserteilchen gleich schnell, die Geschwindigkeit nimmt in der Vertikalen vom Boden nach der Oberfläche hin stetig zu, erreicht aber ihren größten Wert nicht an der Oberfläche, sondern etwas unterhalb derselben, ebenso nimmt sie an der Oberfläche selbst vom Ufer gegen die Mitte zu. Die Linien gleicher Geschwindigkeit innerhalb des Querprofils eines Flusses verlaufen ungefähr in der Weise, wie Fig. 1 sie darstellt. Die

Fig. 1. Linien gleicher Geschwindigkeit.

Geschwindigkeit der einzelnen Stromschichten veranschaulicht Fig. 2. Zieht man eine Tiefenlinie AB

Fig. 2. Geschwindigkeit der einzelnen Stromschichten.

und trägt in deren einzelnen Punkten c, d, e, f, g, h, i auf den daselbst errichteten Senkrechten die Strecken Aa1, cc1, dd1, ee1, f‌f1, gg1, hh1, ii1 ab, welche den Geschwindigkeiten an den bezüglichen Stellen proportional sind, so liegen die Endpunkte a1, c1, d1, e1, f1, g1, h1, i1 auf einer Parabel, welche durch den Fußpunkt B geht. Vollendet man die Parabel über a1 hinaus, bis sie die Verlängerung von AB über A hinaus in K schneidet, so sieht man, daß die Achse der Kurve unter der Oberfläche liegt und mit der Linie dd1 zusammenfällt. Diese Achse der Parabel heißt Stromstrich, dieselbe liegt in gleicher Vertikalebene mit der Kurve des Thalwegs, längs welchem eine Wassermasse die kürzeste Verbindung ihres augenblicklichen Ortes mit der Horizontalebene herstellt. Die Kurven, welche die Punkte gleicher Stromgeschwindigkeit verbinden, sogen. Isotachen, liegen selbst in Flüssen, deren Querprofil eine möglichst günstige, genau rechteckige Form hat, ganz unsymmetrisch zur Achse des Profils. Die Wasseroberfläche ist nie ganz horizontal, sondern nimmt eine konvexe Gestalt an, da der Mitte mehr Wasser zugeführt wird als den Rändern und das Wasser dort schneller abfließt als gegen die Ufer hin. Verfolgt man die Bewegung der Stromfäden vom Ufer nach der Strommitte so findet sie ihre Fortsetzung in der Weise, daß die Wasserteilchen in der Mitte untertauchen u. auf spiralförmigem Weg sich zuerst dem Boden, dann wieder dem Ufer nähern.

Fig. 3. Stromstrich.

In einer geraden Flußstrecke laufen also die Stromfäden beiderseits des Stromstrichs in symmetrisch spiraligen Bahnen. In jeder Biegung dagegen gelangt der Stromstrich durch die Zentrifugalkraft an das konkave Ufer (a in Fig. 3), die Stromfäden tauchen an diesem in die Tiefe und steigen am konvexen Ufer (b) wieder in die Höhe. Der Stromstrich SS liegt demnach nicht mehr in der Mitte, sondern bewegt sich von einem Hohlufer zum andern. Infolge dieser Bewegung wird das Flußbett am konkaven Ufer vertieft, letzteres selber unterhöhlt, während am gegenüberliegenden Ufer, wo ruhiges Wasser steht, die Sedimente abgelagert werden.

Flutmesser. Zur Beobachtung der Gezeiten und Bestimmung des mittlern Wasserstandes dienen Pegel oder selbstschreibende F. Letztere, welche jetzt immer mehr in Aufnahme kommen, sind so eingerichtet, daß die Wasserstände entweder direkt oder mittels Übertragung aufgezeichnet werden. Im erstern Fall ist der Registrierapparat über dem Brunnen, einem ausgemauerten Raum, in welchem sich der Schwimmer befindet, aufgestellt. Der Brunnen steht durch eine mehr oder weniger lange Röhrenleitung mit dem Meer in Verbindung, in demselben wechselt daher der Wasserstand in gleicher Weise wie derjenige des Meers. Um zu verhindern, daß die durch Wind und Wellenschlag erzeugten unregelmäßigen Schwankungen des Meeresspiegels sich auf das Wasser im Brunnen übertragen, ist am Ende der Leitung ein Sieb oder eine Verengerung angebracht. Der Schwimmer, ein hohler Metallkörper, liegt auf der Wasseroberfläche des Brunnens und bewegt sich mit dem Steigen oder Sinken des Wassers nach oben oder abwärts. Derselbe ist entweder an einer Kette, einem Metalldraht oder an einer Zahnstange befestigt. Im ersten Falle liegt die Kette über einem mit kegelförmigen Stiften versehenen Rad, in welche die Kettenglieder passen; ist er an einem Draht befestigt, so hat die Peripherie des Rades eine Rinne, in welche der Draht paßt. An dem andern Ende der Kette, bez. des Drahts hängt ein Gegengewicht. Durch das Steigen und Sinken des Schwimmers wird das Rad nach der einen oder andern Seite gedreht. Ist der Schwimmer an einer Zahnstange befestigt, so ist die Peripherie des Rades mit Zähnen versehen, in welche die der Stange eingreifen und das Rad in Umdrehung versetzen. Die Zahnstange hängt an einer Schnur, welche über eine in der Decke des Pegelhäuschens befestigte Rolle gelegt, und an deren freiem Ende ein Gegengewicht angebracht ist. Die Weiterführung der vertikalen Bewegung des Schwimmers, welche durch Übertragung auf das Rad schon in eine drehende umgesetzt ist, geschieht

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0331.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2023)