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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

 Flourens, 3) Emile, franz. Staatsmann, geb. 27. April 1841 zu Paris, Sohn des Physiologen Marie Jean Pierre F. und jüngerer Bruder des Kommunarden Gust. F., studierte die Rechte, war 1863–1868 unter dem zweiten Kaiserreich Auditeur im Staatsrat, wandte sich 1868 der Advokatur in Paris zu und schloß sich 1870 der Republik an. Er ward 1879 zum Direktor im Kultusministerium ernannt und beteiligte sich an der antiklerikalen Gesetzgebung und den Maßregeln gegen die Mönchsorden. Im März 1885 wurde er Präsident der Abteilung für Gesetzgebung, Justiz und auswärtige Angelegenheiten im Staatsrat und Präsident des beratenden Ausschusses für die Protektorate im Ministerium des Äußern. Goblet übertrug ihm 13. Dez. 1886 in dem von ihm gebildeten Kabinett das Auswärtige Portefeuille, obwohl F. gar keine parlamentarische Bedeutung und Erfahrung besaß. Doch zeigte er sich gewandt und geschickt und wußte durch seine Mäßigung manche Konflikte mit den Nachbarn beizulegen. Er ging daher auch im Mai 1887 in das Ministerium Rouvier und im Dezember in das Kabinett Tirard über und wurde 26. Febr. im Departement Oberalpen zum Deputierten gewählt. Erst mit Tirard trat er im April 1888 von seinem Posten zurück.

 Fluidextrakt (Extractum fluidum, E. liquidum), englische und amerikan. Arzneiform, ein in gewöhnlicher Weise bereitetes Extrakt, welches so weit verdampft ist, daß 1 Volumteil desselben die wirksamen Bestandteile aus 1 Gewichtsteil der Originalsubstanz enthält. Die Fluidextrakte sind dünnflüssig, klar, durch einen von der Bereitung herrührenden Rückhalt an Spiritus oder durch einen schließlichen Zusatz desselben gut haltbar.

Flurregelung. Neue Gesetze über Feldbereinigung (Flurbereinigung) sind erschienen in Württemberg unterm 30. März 1886 und in Bayern unterm 29. Mai 1886. Ausgaben des württembergischen Gesetzes besorgten: Zeeb (2. Aufl., Stuttg. 1887) und Heberle (Tübing. 1886), des bayrischen: Haag (Nördl. 1886), v. Müller (Erlang. 1887), Windstoßer (Ansb. 1887). Vgl. Schlitte, Die Zusammenlegung der Grundstücke (Leipz. 1886, 3 Tle.).

Fluß. Von den drei hydrographischen Elementen eines Flußsystems (Flußgebiet, Stromentwickelung und Wassermenge) ist das letzte das wichtigste. Die Wassermassen, die ein Strom mit sich führt, sind 1) von der Größe des Flußbeckens, 2) von der Anzahl und Länge der Nebenflüsse, 3) im höchsten Grad von den meteorologischen Verhältnissen des durchströmten Gebiets abhängig. Neben der jährlichen Periode des Wasserstandes, die überall am stärksten ausgeprägt ist, machen sich bei manchen Flüssen auch Verschiedenheiten der Monate sehr deutlich bemerkbar. Die Wassermenge der Flüsse wechselt von Jahr zu Jahr mit den Niederschlägen, am meisten in denjenigen Erdgebieten, welche keine ausgesprochene Regenzeit haben. In den verschiedenen Flüssen Mitteleuropas verläuft die Bewegung des Wasserstandes von Lustrum zu Lustrum ungefähr parallel. Um 1801–10 erreichten alle Flüsse einen höchsten Stand, sanken alsdann mehr oder weniger ohne Unterbrechung. Um das Jahr 1830 gruppieren sich die Minima der Lustrenmittel. Um 1850 tritt ein zweites Maximum auf; es folgt ein starkes Sinken, bis 1856–65 ein zweites Minimum erreicht wird. Seit 1866 sind die Flüsse wieder in einer Periode des Steigens begriffen, die seither andauert. Hoch- und Niedrigwasser treten bei größern Strömen nicht an allen Punkten gleichzeitig ein; die gleiche Beobachtung läßt sich beim Vergleich der Flüsse verschiedener Länder machen. Im Gegensatz zu den mittel- und westeuropäischen Flüssen zeigen z. B. diejenigen Rußlands ein auffallendes Vorherrschen der Hochfluten des Frühjahrs, die von der Schneeschmelze der Ebene herrühren. Im J. 1880 betrug die Wassermasse, welche die Moskwa bei Moskau vorbeiführte, in den 25 Tagen ihres Hochwasserstandes (vom 16. April bis 10. Mai) 93,250,000 cbm, in der übrigen Zeit des Jahrs aber nur 85,290,000 cbm. Die Wolga führte nach Messungen an der Alexanderbrücke oberhalb Syzrane nach Aufnahme ihrer größern Nebenflüsse in den Jahren 1877–80 im Mittel jährlich 312,180 Mill. cbm Wasser. Das Verhältnis von Niederschlägen und Abflußmengen ist erst für wenige Gebiete bekannt. Im westfälischen Becken gelangen durch die Emscher, Ems und Lippe folgende Prozentteile der im Gebiet gefallenen Niederschlagsmengen zum Abfluß: im August 13,7 Proz., im Februar 86 Proz. Im Mittel fließen in den sechs Wintermonaten (November bis April) 65,3 Proz., in den sechs Sommermonaten 18, im ganzen Jahr 39,4 Proz. ab. Die Wassermenge der hauptsächlichsten deutschen Ströme, verglichen mit den Stromgebieten und Niederschlagsmengen, ist aus folgender Tabelle ersichtlich. In derselben gibt die zweite Kolumne die von je 100 qkm Fläche in der Sekunde gelieferte Anzahl Kubikmeter Wasser, die dritte den Prozentsatz der auf dem ganzen Gebiet niedergefallenen mittlern Regenmenge, der durch den Strom abgeführt wird, die vierte das Verhältnis der mittlern Sommerabflußmenge zum Winterabfluß (den Winter vom 1. Nov. bis 1. Mai gerechnet), die fünfte das Verhältnis der Abflußmenge des wasserreichsten zum trockensten Monat.

  Kubikm. Proz.    
Rhein oberhalb der Moselmündung 1,070 38,5 0,922 1,485
Weser bei Minden 0,826 37,0 0,434 4,0
Elbe bei Torgau 0,579 30,0
Oder bei Steinau 0,460 27,2 0,525 4,5
Warthe kurz oberhalb ihrer Mündung 0,344 21,0
Weichsel an d. Montauer Spitze 0,538 29,0 0,486 4,19
Memel bei Tilsit 0,600 32,5 0,389 4,51

Die einzelnen Flußgebiete zeigen große Unterschiede in ihrem Verhalten. Vergleicht man die Wassermenge eines Flusses mit der Regenmenge für jeden Monat, so ergibt sich, daß der Wasserstand nicht in direktem Verhältnis zur Regenmenge derselben Zeit steht, sondern sich umgekehrt verhält wie die Intensität der Verdunstung. Die Menge der Sedimente, welche die Flüsse teils in gelöstem Zustand, teils mechanisch mitführen, gewährt eine Vorstellung von der allmählichen Denudation des Festlandes. Die Anzahl der Jahre, welche zur Abtragung von 1 mm im gangen Flußgebiet nötig ist, beträgt beim Jantsekiang 12,5, La Plata 98,3, Mississippi 20,1, Rhône 5,1, bei der Donau 23, Themse 32,2 und beim Po 2,4. Der Betrag an gelösten Stoffen, die durch die Flüsse dem Meer zugeführt und jeder Raumeinheit des Flußbeckens alljährlich entnommen werden, stellte sich für jedes QKilometer des Mississippi auf 46,000 kg, für den Amazonenstrom auf 20,000, St. Lorenz 77,000, Donau 36,000 kg.

Die Geschwindigkeit, mit der das Wasser in seinem Bette dahinströmt, schwankt mit dem Gefälle und der Wassermenge und entspricht infolge der innern Reibung und der Reibung des Wassers an den Wänden nie genau der Neigung des Bettes, sondern ist stets etwas kleiner. Bei schnell fließenden Strömen hat man zwei Arten von innerer Reibung zu unterscheiden:

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0330.jpg&oldid=- (Version vom 10.2.2023)