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CCCXCI. Tetuan in Marocco.




Wenige Meilen von Europa’s Südspitze, dieser gegenüber, beginnt das Sultanat Marocco, das man sonst auch ein Kaiserthum geheißen hat. Es erstreckt sich über den schönsten Theil von Nordafrika. Mit einem warmen, gesunden Klima und großer Fruchtbarkeit des Bodens hat Gott das Land gesegnet, aber der Fluch einer unbeschränkten Despotie hat es menschenleer und größtentheils zur Wüste gemacht.

Während im westlichen Europa der Besitz jedes Fleckchen Landes theuer erworben werden muß, während in den meisten dieser Länder der Arme vom Grundbesitz gänzlich ausgeschlossen ist, und oft nicht einmal den kleinen Raum eigen nennen kann, auf dem er sein müdes Haupt niederlegt, sind hier, am Thore des Welttheils, tausende von Meilen des fruchtbarsten Bodens von der Kultur unberührt, meist ein Aufenthalt rechtloser Sklaven, oder der wilden Thiere.

Warum wurden nicht längst schon hier Colonieen gegründet? warum ist nicht längst dies Land dem europäischen Fleiße, der europäischen Civilisation überantwortet? Warum brauchte man nicht längst hier das Schwertrecht, das gegen Nachbarn gleichen Glaubens und gleichen Stamme anzuwenden man, bis auf die neueste Zeit, sich nie gescheut hat? Es handelt sich hier ja nicht um eroberungssüchtige Zwecke. Wenn Europa die schlechte maroccanische Despotie umstürzt, dann wirkt es nicht für Unterdrückung und Unterjochung der Völker, sondern für ihre Erlösung aus schmählichen Fesseln. Die Colonisation Nordafrika’s ist überdies bereits zu einer Lebensfrage für Europa erhoben, und sie kann nur verzögert, nicht umgangen werden. Namentlich drängt es England und drängt es Deutschland, über kurz oder lang dem System der alten Staaten zu folgen und eine Auswanderung im Großen zu reguliren, damit der Ueberfluß ihrer Bevölkerung entfernt werde; denn außerdem muß die Uebervölkerung neue und furchtbare Uebel zu den alten fügen und das sociale Gebäude in seinen Grundfesten zerrütten. Australien, Neuholland, selbst Nordamerika (da dessen nähere, östliche Provinzen der Auswanderung keinen Raum mehr bieten) liegen zu fern für die wegzuschaffenden Hunderttausende. Am gelegensten ist die Küste von Nordafrika, und deren Besitzergreifung kann nicht durch kleinliche Bedenken gehemmt werden, sobald sie das eiserne Gesetz der Selbsterhaltung gebietet. Schon hat Frankreich in der Occupation und Ansiedelung Algeriens das Beispiel gegeben. Marocco kann und wird dem gleichen Schicksal nicht entgehen, sey es heute oder morgen.