Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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ägyptischen Küste ist scheußlich, denn es ist eine weite, hügelige Sandebene ohne alle Vegetation; kein Gebirge, kein Hügel rahmt es ein, und die Phantasie des Schauenden verliert sich traurig in die lybische Wüste. Erst in der Nähe des Ziels treten Erkennungspunkte hervor; eine Warte, der Thurm der Araber; dann der des Marabuts, auf den man lossteuert; dann ein Mastenwald, und endlich die Pompejussäule, welche sich einsam und majestätisch oberhalb der neuen Stadt erhebt, welche einen kleinen Raum auf dem Schutte der alten einnimmt. Die modernen, weißen, schönen Häuserreihen, welche gegen das Meer gerichtet sind, haben ein europäisches und recht freundliches Ansehen und machen einen artigen Contrast zu den Gruppen schlanker Palmen, die hie und da über die Gebäudemasse ihre Kronen entfalten. Die Küste selbst aber behält den Charakter der Unfruchtbarkeit. Hinter ihrer von den Fluthen zerfressenen Felsenwand herrscht die Oede.
Vor der Stadt öffnen sich beide Häfen. Der Molo trennt sie und vereinigt die vorliegende Insel Pharus mit dem festen Lande. Ein schlanker Leuchtthurm steht an der Stelle des ptolemäischen. Der östliche Hafen dient jetzt nur zur Aufnahme der Quarantaine haltenden Schiffe; der westliche aber ist zu jeder Jahrzeit mit Fahrzeugen bedeckt. Er ist mit einem Halbzirkel von Felsenriffen umgeben, welche, als natürliche Wellenbrecher, die Schiffe im Hafen sichern und seinen Zugang schützen und vertheidigen. Das Fahrwasser schlängelt sich nämlich mitten durch die Riffe durch, und ist so schmal, daß nur ein Linienschiff auf einmal einlaufen kann, während welcher Passage es dem Kreuzfeuer der Hafenbastionen stets ausgesetzt ist. Dieses natürliche Bollwerk, welches die gewaltigen Befestigungen des Vicekönigs verstärkt haben, macht Alexandria von der See her jetzt unangreifbar. Ohne Piloten ist die Einfahrt überhaupt nur mit der größten Gefahr möglich, und deshalb besteht die Einrichtung, daß jedem Schiff, welches sich von seewarts der Küste nähert, ein Lootsenboot entgegengeht, dessen Eigenthümer Besitz vom Steuer nimmt und für die sichere Führung des Fahrzeugs in den Hafen mit seinem Kopfe haftet. Der Lootse, der das Unglück hat, daß das Schiff bei der Einfahrt Schaden leidet, wird gnadlos erschossen.
Der Hafen ist sehr belebt; selten liegen weniger als 300 Schiffe vor Anker. Man erkennt die Flaggen der meisten handeltreibenden Nationen; am zahlreichsten die englische, die französische.
Das erste Gebäude, welches die Aufmerksamkeit der Ankommenden fesselt, ist das Serail des Vicekönigs. Es steht auf der Landzunge, welche die eine Seite der Hafeneinfahrt bildet. Weniger imponirt’s durch die Magnificenz seiner Architektur, als durch die Größe seines Umfangs; denn es besteht aus vielen, leichtgebauten Pavillons von hübschem Aeußern und es sieht einer großen Fabrik oder einer Kaserne ähnlicher, als einer Fürstenwohnung. Unmittelbar an das Serail stoßen die unansehnlichen Gebäude, welche des Pascha weitläufige Ateliers für Schiffbau, die Holzvorräthe etc. enthalten, und durch die Zwischenräume derselben sieht man die Gerippe der auf den Werften im Bau begriffenen Schiffe. Auf der andern Seite des Arsenals ziehen sich die dauerhaft gebauten Kayen hin mit ihrem
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/67&oldid=- (Version vom 30.12.2024)