Seite:Meyers Universum 9. Band 1842.djvu/63

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

jeden Sommer regelmäßig besuchte. Damals bildete sich um den Monarchen zuweilen ein weiter fürstlicher Cirkel, und dann wurde wohl auch hier, oder im nahen Carlsbad, der Zeit der Puls gefühlt und ihr congreßmäßig receptirt, gleichsam als hätte sie der Herr krank nach Böhmen geschickt. Was es ihr geholfen, das weiß Gott! Aber Deutschland hat die Bade-Kuren theuer bezahlen müssen, und deutsches Volk wird ihrer ewig gedenken. –

Die Teplitzer Quellen sind warm (zwischen 24 und 40 Grad Reaumur), und der Heizheerd ist ohne Zweifel der nämliche, der auch das carlsbader Wasser kocht. Die Sage, daß ein unterirdischer Brand mächtiger Braunkohlenflötze das Wasser erwärme, ist ohne Grund und schon durch die Thatsache widerlegt worden, daß am Tage des Lissaboner Erdbebens (1. November 1755) alle Quellen plötzlich eine Viertelstunde lang ausblieben, dann aber mit unerhörter Gewalt und kochend hervorbrachen, und rundum Alles überschwemmten. Tief im Innern der Erde muß also die Ursache liegen, die zwei so weit entfernte Ereignisse zusammenknüpfen kann, und an eine engbegrenzte, örtliche, wie sie der Brand der nahen Braunkohlenflötze wäre, ist gar nicht zu denken.

Das Teplitzer Wasser wird meist als Bad, selten als Trank gebraucht. Seine Wirkung auf den Organismus ist im Allgemeinen Absonderung befördernd, eröffnend, auflösend: daher sein großer, begründeter Ruf in chronischen Uebeln des Unterleibs, in chronischen Rheumatismen, und bei Contrakturen, Steifigkeiten und Lähmungen, als Folgen schwerer Verwundungen und chirurgischer Operationen. Sind die Uebel schon sehr veraltet, dann läßt man gewöhnlich die Cur im Carlsbad vorangehen. Die heißesten Bäder sind in der Regel weit wirksamer, als die minder warmen, welche ihrerseits schwächlichen und sehr reizbaren Constitutionen besser bekommen, als jene.

Bei Teplitz ist ein Wallfahrtsort für alle deutsche Herzen. Du kennst ihn doch? Es ist der Kirchhof – und der da ruhende Heilige ist Einer, der die Erde durchpilgerte, ohne je eine Scholle davon sein nennen zu können; Einer ohne Titel, ohne Orden, ohne Adel; Einer, groß als Dichter, größer als Mann, als Mensch am größten: – Seume.




CCCLXXXVI. Alexandria.




Es liegt eine unverwüstliche, erhaltende Kraft in manchem Orts-Namen. Wie ein Schutzgeist knüpft er sich an seinen Gegenstand, wacht gleichsam unablässig über sein Daseyn, oder geht mit ihm durch die Wechsel des