Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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auf, und nach sieben Jahren kehrten die Trümmer von zehntausend hessischen Jünglingen zurück, – vom frischen Lebenskranze wenige welke Blätter. – Da war Trauer vollauf im Hessenlande; aber in der Hauptstadt erhob sich die eherne Riesenstatue des Landgrafen im Costüme der Cäsaren, mit der Inschrift: Friderico II. Patria –: und, um das römische Kunststück vollkommen nachzumachen, „auf Kosten und durch Beschluß der hessischen Stände!“ – die freilich, nach ihrer damaligen Zusammensetzung, so wenig geeigenschaftet waren, die hessische Volksmeinung auszudrücken, als ein römischer Senat zu Hadrians Zeit die der Völker im römischen Weltreiche. Die Franzosenherrschaft entfernte die Statue; die Restauration, gewiß nicht in einem Uebermaße von Schicklichkeitsgefühl, ließ sie 1818 wieder aufrichten, und dort, auf dem Friedrichsplatz, prangt sie noch heute und mit demselben Rechte, wie so manches Monarchenbild von Erz oder Marmor anderwärts. –
Auf Friedrich II. folgte Wilhelm I., welcher zur Verschönerung Cassels manches Neue fügte, während er das Aeltere erhielt. Eine völlige Umgestaltung aber trat ein, als Napoleon mit einem Federstrich Hessen’s Kurfürsten aus der Liste der Regenten that und seinem Bruder Land und Leute mit Königstitel als Vasallenlehn hingab. Urplötzlich war die Metamorphose gekommen und der volle Athem des Zeitgeistes hauchte nun über die Hauptstadt des westphälischen Königreichs hin. Nicht die Zöpfe allein schwanden; in tausendfacher Regung trieb das neue Leben Keime, schlechte und gute; – aber Hieronymus war nicht der Mann, der jene ausjäten, diese pflegen mochte, wild schoß Alles neben einander auf und das Schlechte wucherte bald freudiger als das Rechte. – Die französischen Intendanten und Directoren administrirten wie im eroberten Lande, die besten Domänen wurden Dotationen französischer Generale, andere wurden verschleudert und verhandelt; – im Interesse des Landes geschah nichts: Cassel jedoch stand sich nicht übel dabei, ein heiteres, lustiges, sorgloses Leben strömte vom Hofe herein in die Beamten- und höhern Bürgerkreise. Das königliche Cassel hatte eine Zeit, welcher sich Viele noch als einer goldenen erinnern. Aber da kam der Sturm, der die Eiche niederwarf, unter deren Schatten so manche wurzellose Herrschaft eine Zeitlang ihre Triebe geschoben hatte. Der Spieß des Kosacken schreckte den König vom Faulbette auf; er warf seine Krone weg und über das große Stoppelfeld von Leipzig wanderte wieder der hessische Löwe ein. Hieronymus ging aus Hessen bettelarm – und das ist sein bester Ruhm.
Wilhelm I. strich, wie Napoleon mit ihm gethan, so die Napoleon’sche Zeit aus der hessischen Geschichte; wer seinen abgeschnittenen Zopf noch bewahrt hatte, holte ihn wieder vor, und wer keinen hatte, – der steckte sich einen gemachten an. Man spielte damals eben die alte Zeit wieder, wie man früher französisch gespielt hatte; indeß schritt die Zeit selbst tüchtig voran. Die Kernfrucht der französischen Revolution ist eine für die Ewigkeit geworfelte und in Deutschland war Napoleon ihr Säemann, ohne daß er’s selbst gewollt. Die Spreu
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/42&oldid=- (Version vom 29.12.2024)