Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Kirche und Kloster bedecken einen Raum von 420 Fuß Breite und 530 Fuß Länge. Die Kirche und der größte Theil der Klostergebäude sind von weißem Marmor aufgeführt, der dem cararischen an Schönheit gleichkommt. In der Kirche entfaltet sich die Herrlichkeit des altdeutschen Styls in unbeschreiblicher Pracht. Ein wunderbarer Reichthum von Ornamenten umschlingt und verbindet alle Darstellungen. Leider sind die in Licht und Gluth gemalten Glasbilder der Fenster jetzt verschwunden, wegen welcher Batalha so berühmt war. Das große Erdbeben, welches 1558 Lissabon zerstörte und auch einen Theil dieses Prachtbaus einstürzte, ließ davon nur Scherben zurück. – Seit dieser Catastrophe blieb Batalha in einigen seiner Theile Ruine; denn so viele Pläne auch in Lissabon zur vollständigen Restauration des Wunderwerks gemacht wurden, so ist es doch nie zur That gekommen. Die Geldkräfte des Klosters reichten nicht weiter, als zur Ausbesserung des Chors und der Wohnungen.
Batalha ist die Grabstätte vieler Beherrscher Portugal’s, und eine Reihe imposanter Denkmäler schmücken ihre Grüfte. Das älteste ist das des Stifters, des Königs Johann; schöner noch ist das im Stahlstich dargestellte des Königs Emanuel (gebaut zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts); es fällt in die Blüthezeit der Kunst und ist ihrer würdig. Raphael selbst soll die Zeichnungen zu den Ornamenten gemacht haben. Ein Theil der Decke dieser Capelle ist indeß auch eingestürzt und auf dem vom Regen getränkten Marmorboden wächst das Gras. In wenigen Jahrzehnten wird wohl der ganze Bau ein Trümmerhaufe seyn; denn das Kloster hat aufgehört, eine Anstalt für viele Mönche zu seyn; nur noch ein paar alte Priester hüten den Tempel. Der berühmte Weinkeller wird den Fremden zwar gezeigt, aber er ist leer. – Auch der kostbare Kirchenschatz ist größtentheils verschwunden. Die zentnerschweren Armleuchter von Silber und andere Kirchengeräthe wurden 1808 theils mit dem königlichen Schatze nach Brasilien geflüchtet, theils sind sie später in die Münze gewandert. Nur die Reliquien, Gebeine und Knochen von Aposteln und Märtyrern, ein Stück vom wahren Kreuze Christi, ein Lappen vom Rock der heil. Jungfrau und einer vom Schweißtuch des Herrn, Dinge freilich, die man nicht in die Münze schicken konnte, sind noch da zum Troste vieler Gläubigen, und ihre Behälter funkeln von Glaspasten, wie ehedem von Rubinen und Diamanten. –
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/30&oldid=- (Version vom 28.12.2024)