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Unsere Bildung veredelt solche, sie hebt sie gleichsam empor auf gleicher Stufe mit der Wissenschaft. Der Handwerker, der sich innerhalb der engen Grenzen hergebrachter Formen und ererbter Erfahrungen gedankenlos und knechtisch bewegt, er wird aus der Gesellschaft allmählig verschwinden; der denkende Industrielle tritt an seine Stelle; aber auf höherer Staffel, seiner Bewegung frei, seiner Zwecke und ihrer Mittel dazu sich bewußt, herrschend über Stoff und Form, und sein Gewerbe zu einem Quell und Gefäße der geistigen Kultur gestaltend. Bei ihm treten fortgesetzte wissenschaftliche Forschung und Beobachtung in steter Beziehung zu praktischer Anwendung, und unter dieser Wechselwirkung erweitert er mit jedem Tage das Gebiet seines Wissens, die Grenzen seines Wirkens, seine Berechtigung zu höherer Geltung im Staate, und er hilft durch sein Beispiel, durch das Anregende, Nacheiferung Erweckende, den geistigen Horizont der Menschheit erweitern, hilft fördern die schönsten Zwecke der Humanität. Eine Nation aber, die unter ihren Bürgern solcher Individuen die meisten zählt, wird immmer die größte Menge von Intelligenz, Macht und Reichthum in sich vereinigen, und sie wird in der Wagschale der Politik auch am schwersten wiegen.

Diese Wahrheiten sind jetzt allgemein verstanden: daher ein Wetteifer unter den cultivirtesten Staaten, den Völkern die Mittel der Bildung in immer reichlicherm Maße zu reichen. Besonders ist man darauf bedacht, das Studium der dem praktischen Leben so großen Vorschub leistenden Naturwissenschaften auszubreiten und das Bedürfniß dazu in allen Classen zu erwecken. Die einsichtsvollsten Männer der höchsten Stände gehen dabei mit ihrem Beispiele überall voran. Fürsten, Minister, die berühmtesten Staatsmänner, ja kaiserliche Prinzen widmen ihre Intelligenz den Gewerben, ein Metternich läßt Hufeisen schmieden für das Pferd des Bauers, ein Erzherzog Johann Nägel machen für die Schuhsohle des Häuslers, und in den eigentlichen Pflanzengärten für industrielle Bildung, den Real- und polytechnischen Schulen, sehen wir die Söhne des Adels und der Mächtigen beharrlich und fleißig nach dem Wissen und den Fertigkeiten ringen, welche die Vornehmen sonst verschmäht haben.


England, das im Staatenkreise seit vielen Jahrhunderten den Reigen führt im Streben nach tüchtigen Zielen, England, das zuerst der Alleinherrschaft den Stachel nahm, das zuerst die Bürgerfreiheit neben das Königthum gesetzt, das zuerst Sklaverei und Sklavenhandel gebrandmarkt hat, das im Verkehr der Staaten unter einander das Sittengesetz wieder zu Ehren brachte; England, das jetzt die Elemente, die es für zeitgemäße wahre Volksbildung gesammelt, in ein großes System vereinigen und wirksam zu machen strebt: – das hat auch für die industrielle Bildung zuerst die Fahne erhoben, das Studium der Naturwissenschaften zuerst aus dem praktischen Gesichtspunkte aufgefaßt, es in die Schulen verpflanzt und für die polytechnischen und Reallehranstalten die