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CCCCXX. Manchester.




„Es wird die Zeit kommen, – sagt Seneca, – wo, was jetzt verborgen ist, durch Forschungen vieler Jahrhunderte an’s Licht gebracht seyn wird. Zur Untersuchung so großer Dinge reicht ein Menschenleben nicht hin; sie können erst in einer langen Zeitfolge ausgemittelt werden; die Nachkommen aber werden sich wundern, daß wir so offenbare Dinge nicht gewußt haben.“

Der Geist des Propheten ruhete auf Seneca, als er dies niederschrieb; denn es ist in Erfüllung gegangen. Die Gegenwart hat uns, – mit den Worten eines scharfen Beobachters zu reden, – in den Erscheinungen der Natur eine neue Welt erschlossen, deren Daseyn nicht blos von den Völkern des Alterthums, sondern selbst von unsern Vätern noch nicht gedacht wurde; und die Erforschung der Natur und ihrer Wunder hat zu Resultaten geführt, welche die kühnsten Ahnungen der größten Geister der Vergangenheit weit überboten. Mögen wir auf die Resultate der empirischen Forschung sehen, die sich mit dem in Raum und Zeit Erfaßlichen beschäftigt; oder auf jene der mathematischen, welche zählt, mißt und abwägt; oder auf jene der philosophischen, welche bestrebt ist, die verborgenen Gesetze zu ergründen, für die äußern Erscheinungen die innere Regel zu entdecken und sie darzulegen als Gliederungen und Thätigkeiten eines allgemeinen Organismus, der belebt ist vom Hauche der Allmacht: überall finden wir eine Fülle der Beobachtung, einen Reichthum der Forschung, eine Masse von theoretischer Wahrheit und praktischer Anwendung, so groß, daß auch der umfassendste, gebildetste, kräftigste Geist, der Alles überschauen wollte, verwirrt werden müßte. An die Stelle der frühern Armuth ist ein überschwenglicher Reichthum getreten und das Wachsen desselben ist ohne Ende. Jeder Tag verkündigt eine neue, große Entdeckung, ober eine nützliche, der menschlichen Thätigkeit neue Bahnen und Richtungen anweisende, oder ältere zerstörende, und unwegsam machende Erfindung. Jeder Morgen bringt neue Hoffnungen für die Vermehrung des menschlichen Wissens und Könnens; jeder Abend hat sie übertroffen und für jeden nächsten Tag steigern sich die Erwartungen höher. Verlangend, voller Eifer, voller Wissensdurst greift der Mensch nach dem Buche, in dem der Herr seine Weisheit und Güte geoffenbart hat. Das Buch der Natur ist aufgeschlagen; mehr und mehr wird seine Hieroglyphenschrift entziffert, gelesen und verstanden von den Menschen und nach ihren Belehrungen wird die Welt umgestaltet.

Nicht Alles, was erforscht und entdeckt wird, tritt unmittelbar in den Kreis der gemeinen Nützlichkeit; aber jede Entdeckung im Gebiete der Naturwissenschaft trägt den Keim nützlicher Anwendung in sich, und er