Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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und die Hälfte der Kohle wird zermalmt, wodurch der größte Theil ihres Werthes verloren geht. – Nach dem Sprengen auf der engl. Grube wurden die am Boden liegenden Kohlen in die schon bereit stehenden vierrädrigen, auf Schienenwegen laufenden, mit Hacken an einander zuhängenden Körbe geschafft und während dem trat ein Aufseher herzu, mit einem Buche in der Hand, der nachsah, ob die Körbe gehörig voll waren, ihre Anzahl notirte, sich dann auf den hintern Korb setzte und sich mit dem ganzen Zuge von dem einen der Arbeiter an das Füllort der Strecke laufen ließ. Die andern zwei schrämten inzwischen eine neue Kohlenwand zum Sprengen vor und nach einer Viertelstunde, auf dem Rückwege aus der Grube, hörten wir schon den Schuß, der die Erneuerung der eben beschriebenen Arbeiten anzeigte. Am Füllort, unter’m Schacht, sahen wir die mit Rädern versehenen Kohlenkörbe am Hebeseil befestigen; im Nu sind sie oben, stürzen sich in einen hölzernen Schlauch, dessen schiefliegender Boden mit Siebdraht überflochten ist, reinigen sich so vom Gruß und kommen in gröbern Stufen zur Bank, wo sie von Weiber- und Kinderhänden einer raschen Sortirung in sehr große, mittelgroße und kleine Stücke unterliegen und dann in eiserne Wägen, jeder von 100 Centner Inhalt, gefüllt werden, die, auf der geneigten Fläche einer Eisenbahn, von selbst zum Quai am Flusse laufen, wo sie sich in die harrenden Schiffe stürzen.
Die Bergleute in den englischen Kohlengruben haben eine sehr schwere Arbeit; sie werden aber auch tüchtig bezahlt. Der gewöhnliche Lohn für einen Kohlenhauer ist in den Newcastler Werken etwa 1½ Gulden täglich; und mancher, der besonders gewandt und fleißig ist, steht sich wohl auf das Doppelte. Der Lohn richtet sich nach der geförderten Menge und ist in jeder Abbaustrecke, nach Verschiedenheit der Mächtigkeit der Kohlenschichten etc., anders. Gesund mag die Beschäftigung nicht seyn. Ich fand die Arbeiter meist von einem bleichen, kränklichen Aussehen, ihre Stimme war rauh, ihr Athem kurz, ihre Augenlieder geschwollen, der Stern des Auges wenig entwickelt; das Tageslicht ist ihnen beschwerlich. Schrecklich ist die Arbeit Derer, welche die Kohle aus schmalen Schichten gewinnen, in welchen sie oft nur liegend, oder in ganz gekrümmter Stellung, arbeiten können, und gerade in diesen schauerlichen Höhlen, die, oft tausend Fuß tief, sich wie Dachslöcher unter der Erde fortwinden, ist die Zuführung frischer Luft am schwierigsten und die Gefahr vor dem fürchterlichen Firedamp (entzündlichem Kohlengas) am größten. Nicht immer ist eine solche Gefahr durch die Anwendung der Sicherheitslampe zu vermeiden; und wie häufig die Unglücksfälle noch sind, beweist die officielle Angabe, daß in den letzten Jahren durchschnittlich 1100 Personen in den britischen Kohlengruben durch Gasexplosion um’s Leben gekommen sind. Wenn, was in ganz großen Werken, wo wohl 800 bis 1000 Bergleute arbeiten, ziemlich häufig geschieht, eine Explosion eintritt und dann aus der entzündeten Strecke Blitze zucken, ertönt die Alarmglocke, alle Arbeiter springen im Nu von der Arbeit, werfen sich platt auf die Erde nieder, oder eilen dem Schachte zu. Man hat Beispiele, daß die ganze Grube so mit Gas angefüllt war, daß die Entzündung sich durch alle Räume verbreitete und Hunderten von Bergleuten auf einmal den Tod brachte. Darum ist auch das Zuführen von frischer Luft und die Circulation derselben in allen Räumen, ein Hauptaugenmerk der Minenadministration,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/203&oldid=- (Version vom 3.1.2025)