Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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man baut die Häuser, um die Beamten, die Aufseher, und wenn die Mine entfernt von Dörfern ist, um auch die Arbeiter unterzubringen, und so ist gemeinlich schon ein Dorf oder Flecken entstanden, ehe noch der erste Kohlenwagen aus der Grube emporsteigt. Ist Alles glücklich vollendet, worüber oft drei bis 4 Jahre vergeben, dann wird der feierliche Tag angekündigt, wo die erste Kohlenförderung der langen, ausdauernden Arbeit und so vieler Opfer an Geld und Ruhe den ersten Lohn bringen soll. Ein solcher Tag ist ein glänzendes Fest. Musikchöre werden in die Tiefe gelassen; unter Musik wird der erste Kohlenwagen geladen; das freudige Hurrah! der Hunderte von schwarzen Gesellen unten verkündigt den Moment der Auffahrt; Musik, Böllerschießen und eine festlich geschmückte bunte Menge am Schachtrand empfängt ihn oben. Der beharrliche Unternehmer ist der König des Festes, und seine Freigebigkeit hat keine Grenzen. Oft wird ein solcher Festtag zu einer Festwoche voller Genuß und Fröhlichkeit.
Ist schon das Unternehmen eines einzigen Kohlenbergwerks so groß, und erfordert es so viele Kräfte und so große Kapitale, so sind doch die noch viel größer, welche die Anstalten verbrauchen, zu denen sich die Eigenthümer mehrer Gruben zu ihrem gemeinschaftlichen Vortheil vereinigen. Ein solcher Verein der Kohlenwerksbesitzer eines Distrikts schießt viele Millionen zusammen, um Wege durch Berge zu führen, Viaducte über Thäler zu bauen, Flüsse schiffbar zu machen, Kanäle zu graben, oder an dem nächsten Ufer des Meers Hafenbauten zu unternehmen, welche in jedem andern Lande als Riesenwerke angestaunt werden würden; dort aber, als etwas Alltägliches, nicht einmal in Erwähnung kommen. Alles das geschieht vielleicht blos, wegen einer Ersparniß in den Transportkosten, die, auf den Centner ausgeschlagen, so gering scheint, daß man nicht begreift, wie es sich so großer Anstalten verlohnen könne; wenn man aber erwägt, daß eine einzige Kohlengrube der größten Art täglich über 10,000 Centner Kohlen fördert, und wenn man jenen so klein scheinenden Vortheil auf die Unzahl von Centnern berechnet, welche jährlich transportirt werden, und die Summe dann, als eine stete Ersparniß, kapitalisirt, so löst sich das Räthsel und man sieht ein, daß die Leute wohl Millionen daran setzen konnten, um an der Fracht von einem Centner Kohlen bis zu den Verkaufs- oder Consumtionsorten ein paar Pfennige zu ersparen. An den Häfen, oder an den Ladungsplätzen bei einem Flusse, Canale, oder am Meere, laufen die Eisenbahnen von den verschiedenen partizipirenden Kohlenwerken zusammen. Sie endigen auf einer, über den Canal, oder Strom, oder über dem Hafenbassin, von Eisen construirten großen Plattform, die man Steith nennt. Auf dem Boden derselben befinden sich Fallthüren, und unter denselben liegen die Schiffe vor Anker, welche ihre Ladung erwarten. Die angekommenen Kohlenwagen öffnen sich vor den Fallthüren durch einen angebrachten Mechanismus von selbst und stürzen ihre Ladung hinab in den darunter befindlichen Schiffsraum ohne Zuthun einer Menschenhand; wenn sie sich entleert haben, so schließen sie sich wieder, um mittelst des Gegengewichts der auf geneigter Fläche herabrollenden folgenden Wagen leer wieder an ihre Bestimmung zurück zu laufen. Sind die Kohlen nicht fest, sondern mürbe, so führt aus der Fallthüre ein schiefer, inwendig mit Blech gefütterter Schlauch von Holz die Kohlen zum Schiffsraum. Er ist so wenig geneigt, daß die Kohlen langsam hinab
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/198&oldid=- (Version vom 3.1.2025)