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wie solches leider! in Deutschland fast überall noch der Fall ist, geseufzt hatte, und das Recht der Ausbeutung der unterirdischen Güter als ein legales Eigenthum an den Grundbesitz geknüpft wurde, frei von aller staatlichen Controlle und Bevormundung. Dieses Aufgeben eines überdies unfruchtbaren Regals, das hat die Wunder gewirkt, welche wir im britischen Bergbau anstaunen, und es wird überall Aehnliches hervorbringen, wo man dem Beispiele Englande nachthut. Jetzt sind alle Gegenden Großbritanniens, wo Kohlenablagerungen vorhanden sind, Centralpunkte der Industrie; denn Kohlen sind deren erstes Lebensbedürfniß. Manchester, Sheffield, Birmingham, Leeds, Glasgow, Boulton, Newcastle mit seinen Potteries etc. etc., sie waren nichts ohne den Kohlenbergbau in ihrer Nähe. Weiter bedarf es aber nichts, als solche Namen zu erwähnen, um an den unermeßlichen Antheil zu erinnern, den die Kohlenbergwerke an der commerziellen und industriellen Größe Albions haben.

Die Steinkohlen ersetzen schon seit einem halben Jahrhundert in England das Holz und die Holzkohlen, sowohl bei Dampfmaschinen, als zur Zimmerheizung und in der Küche, in den Werkstätten, bei allen Gewerben. Steinkohlen dienen als Gas zur Beleuchtung, als Theer zum Anstreichen der Schiffe etc. etc., als Koak für alle metallurgische Prozesse. Jedes Jahr werden in England über 50 Millionen Tonnen, oder über tausend Millionen Centner Steinkohlen gewonnen, eine ungeheuere Ausbeute, die noch immer wächst und die schon früher lebhafte Besorgnisse für die Zukunft erregt hat. Man fürchtete nämlich, die Quellen dieses Reichthums möchten versiegen und Englands Schicksal dadurch gefährdet werden, welches mit seiner Kohlenproduktion so innig verknüpft ist. Die Frage war so ernst, daß das Parlament selbst eine Untersuchung deshalb anordnete. Ihr Resultat war geeignet, vollständig zu beruhigen. Man fand, daß sich nur allein in den Niederungen von Durham und Northumberland die Kohlenablagerung über einen Flächenraum von etwa 720 engl. Geviertmeilen ausdehnt, derselbe nach dem geringsten Anschlage über zehn Milliarden Tonnen (zu 20 Centnern) liefern kann, und diese allein im Stande wären, den Kohlenbedarf Englands auf einen Zeitraum von 200 Jahren zu decken. Die Kohlenlager von Wales sind noch reicher. Sie dehnen sich über einen Raum von 1200 engl. Quadratmeilen aus, und nachdem man in den letzten Jahren unter den bisher in Abbau gewesenen Kohlenflötzen tiefer liegende von bedeutender Mächtigkeit entdeckt hat, kann man die in Wales vorhandenen Kohlen auf mindestens fünfunddreißig Milliarden Tonnen berechnen. Es reichen also jene drei Lager allein schon für die vollständige Befriedigung Großbritanniens auf neun Jahrhunderte aus.

Jede Furcht vor Erschöpfung des britischen Kohlenreichthums ist demnach chimärisch; es ist vielmehr gewiß, daß England nicht nur für sich, sondern auch zur Versorgung der übrigen Welt Ueberfluß hat, weshalb die Regierung kein Bedenken trug, der Kohlenausfuhr die Fesseln abzunehmen und sie, eine ganz geringe Abgabe ausgenommen, frei gab. Durch den Wetteifer der Speculation (man schätzt das auf den Betrieb der Kohlenwerke angelegte Capital auf 45 Millionen Pfund Sterling!) sind die englischen Kohlen unglaublich wohlfeil geworden, und bei dem Preis von 2½ Schilling die Tonne (4½ Kreuzer oder 1½ Ngr. der Centner) weiß der Unternehmer sich für sein Kapital, Risiko und die Gewinnungskosten noch bezahlt zu machen. Daher das