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liegt 10 deutsche Meilen nördlich von London in einer Ebene. Obsthaine umgeben die Stadt, hundertjährige Rüstern und Linden ragen gruppenweise aus den zahlreichen Höfen der Colleges und Halls hervor und die Stadt erhält dadurch von weitem das Ansehn eines Parks, aus dessen Laubdach hie und da ein Thurm oder ein hoher Giebel sich emporstreckt. Die Stadt war sonst klein und häßlich; in neuerer Zeit aber hat sie außerordentlich gewonnen an Schönheit, Größe und Bevölkerung. Sie hatte im J. 1800 nur 10,000 Einwohner; jetzt über 40,000. Neben den Musen haben die Industrie und der Handel sich Wohnsitze hier aufgeschlagen. Die Gegend liefert namentlich jetzt die beste Butter für den Verbrauch Londons, und täglich gehen viele tausend Pfund auf der Eisenbahn frisch zur Hauptstadt. Seit dem Bestehen der Eisenbahn beträgt dieser Geschäftszweig jährlich Millionen. Ehemals war auch die Cambridger Messe (die Stourbridge-fair) fast so berühmt, als seine Universität. Sie dauerte vierzehn Tage; doch gegenwärtig ist sie nur für Landes-Produkte: Talg, Käse, Eisen, Wolle, Vieh etc. ein bedeutender Markt, zu dem die Produzenten weit und breit herkommen.

Die Universität ist selbst nicht reich; denn ihr gesammtes Einkommen beträgt kaum 16,000 Pfd. Sterling jährlich. Aber die Stiftungen haben unermeßliche Einkünfte, welche bei allem Luxus in der Administration und aller Freigebigkeit doch nicht ganz absorbirt werden können und immer neue Capitalien zu den alten häufen. Diese Stiftungen sind etwas Eigenthümliches im englischen Universitätswesen und es herrscht darüber viel Unklarheit der Begriffe. Sie entstanden folgendermaßen. In den frühern Zeiten des Mittelalters war das Streben nach Gelehrsamkeit ausschließlich in den Klöstern und unter der Geistlichkeit zu suchen. Die Klöster hatten den Gebrauch, die jüngern Konventualen abwechselnd auf die Universitäten zu schicken, um sich mit den Fortschritten der Wissenschaften vertraut zu machen. Damit nun die Mönche auch da ein den Vorschriften ihres Ordens oder Standes angemessenes klösterliches Leben führen möchten, so vereinten sich mehre Klöster zur Gründung von Hospitien auf jenen Hochschulen, welche vorzugsweise besucht wurden. Sie bauten für die studirenden Klosterbrüder Wohnungen, und setzten einen Profoß, oder Aufseher darüber, der die regelmäßige Lebensweise der Studiosen überwachen und den Abteien darüber berichten mußte u. s. w. Später erweiterten sich diese Anstalten, und, als die adelichen und bürgerlichen Stände, die Laien, anfingen, Theil an dem gelehrten Wissen zu nehmen, da wurde die Einrichtung nachgeahmt. Ritterschaftliche und städtische Vereine stifteten solche Hospitien mit klösterlicher Zucht für die Scholaren aus ihrer Mitte, ein Verfahren, das zu jener Zeit um so angemessener war, da die meisten für den geistlichen Stand bestimmt waren, der bis in das sechzehnte Jahrhundert neun Zehntel der Gesammtmasse der Studirenden absorbirte. Der Wohlthätigkeitssinn knüpfte Anstalten für solche Arme daran, welche der Durst nach Wissen zu den Universitäten führte, ohne die Mittel zu besitzen, sich in der