Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Während das alte Wort: „Gold regiert die Welt,“ aufhört, buchstäbliche Wahrheit zu seyn und nur in symbolischer Bedeutung noch Sinn behält, hat das Eisen sich zur eigentlichen Weltherrschaft erhoben. Anfangs langsam und allmählig, endlich schnell und stürmisch ist ihm diese Herrschaft erwachsen und eine unerschöpfliche Fundgrube innerer Kraft hat sie befestigt. So weit ist es gekommen, daß ohne Eisen ein Kulturfortschreiten der Menschheit gar nicht mehr denkbar ist. In Barbarei sänken wir zurück, würde uns das Eisen genommen, und was in unsern Zeiten der Menschengeist Großes schafft, das könnte nicht gedacht, geschweige vollbracht werden ohne das Metall, welches die alte Zeit auf die unterste Stufe gereiht hatte. „Eisern ist die Grundmauer der Civilisation,“ bemerkte schon vorlängst ein großer Geist. Aber nicht als roher Stoff ist es solche, sondern in seiner Verbindung mit Erfindung und Betriebsamkeit, mit Wissenschaft und Erfahrung, mit Kunst und Geschicklichkeit und allen den Thätigkeiten, die, auf den Erwerb irdischer Güter gerichtet, in der Gesellschaft hin und her pulsiren von Jahr zu Jahr mit immer rascherm Schlage. In diesem Verstande ist das Eisen im Kreislauf der menschlichen Thätigkeit Mittelpunkt und Herz. Was die Adern eingesogen, das sendet es vervollkommnet wieder aus in die fernsten Theile und ziehet dafür rohere Säfte ein, um sie von Neuem zu veredeln: und in diesem ewigen Wechselspiel ist das Geld nur der Rechenpfennig, der dem Spieler Gewinn oder Verlust anzeigt. Alle Tage verbreitet sich auch mehr des Eisens Herrschaft; alle Tage verdrängt es bald den einen, bald den andern Stoff aus der Anwendung und tritt an seine Stelle. Hier ist nicht der Ort, die Frage ausführlich zu behandeln, wo die Grenze sey; aber daß fern sie sey, ist leicht abzusehen, wenn wir die Erfahrungen der letzten Zeiten betrachten. Man darf ja nur den Blick auf England werfen, auf jenes Land, daß der Weltherrschaft des Eisens vorzugsweise huldigt, und dem daraus der unermeßliche Besitzstand hauptsächlich erwachsen ist, der es befähigt, weite Länderstriche an den äußersten Erdenden, ja halbe Welttheile mit vielen Völkern, als hörige Hintersassen an sein kleines Eiland zu knüpfen, das auf der Karte unsers Gestirns sich kaum bemerkbar macht. Ja, in England, wo ein eisernes Netz (als Eisenbahnen) buchstäblich über das ganze Land gezogen ist, in seinen Docks für die Construktion eiserner Schiffe, in den Riesenwerkstätten der Architekten für den Bau eiserner Kirchen, Schlösser und Wohnungen: da wird einem die Rolle erst klar, die dem Eisen beschieden ist, und nur dort kann man die Nützlichkeit und
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/156&oldid=- (Version vom 2.1.2025)