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sich fort und fort über die schwarzhäutigen Brüder. Weiter in’s Land hinein hören die Zuckerpflanzungen auf, und in den fernen Hügel- und Gebirgsstrichen tritt der Tabacksbau an ihre Stelle. Der Taback gedeiht auf frischgerodetem Waldboden am besten. Sein Anbau ist größtentheils in den Händen jener nomadenartigen Neu-Ansiedler, die von einem Striche zum andern weiter ziehen, unbekümmert, wer auf sie folgen möge. Im Innern von Cuba sieht man Haufen von solchen vagabundirenden Colonisten, wie sie, mit der Brandfackel bewaffnet, die herrlichsten Waldungen angreifen und weite Strecken niedersengen, um eine Pflanzung zu gewinnen, die sie öfters nach einer kurzen Reihe von Erndten wieder verlassen. Dieses verwüstende Verfahren einer räuberischen Agricultur hat, obschon durch die Gesetze beschränkt, noch immer nicht aufgehört, und weite Ländereien zu dürren Haiden umgeschaffen; denn der Urwald wächst nicht wieder empor. An die Stelle der kräftigen Waldbäume treten, sobald sich der Colonist entfernt hat, Gestrüpp und Buschwerk und dürres Gras. Die schönen Wälder Cuba’s sind in der Nähe der Ansiedelungen ganz verschwunden, und über Holzmangel und Holztheuerung hört man in der Havannah und in allen größern Städten des Eilands laute Klage.

Eine merkwürdige Physiognomie hat eine andere Gegend des Landes. Es ist ein sechzig Stunden langer Landstrich, nordwärts von der Hauptstadt; theils Privaten, theils der Krone angehörend. Es ist das Land der Hirten und ihrer Heerden. Die Privatbesitzungen sind da sehr ausgedehnt, und manche Hacienda faßt mehre Quadratmeilen, obschon die eigentliche Niederlassung, der Meierhof (Potrero), kaum den hundertsten Theil einnimmt. Diese Höfe, die weit auseinander liegen, sind das ächte Bild stiller, ländlicher Zurückgezogenheit. Durch ihre Baumgruppen, ihre Durchsichten und ihr frisches Grün erinnern sie an die Parks unsers Welttheils, nur mit dem Unterschiede, daß hier der Mensch Alles thun muß, was dort die Natur allein hervorbringt. Umsonst aber würden die Versuche der Kunst seyn, mit europäischen Bäumen eine Dekoration hervor zu bringen, wie sie dort die Königspalme gibt, die in größeren und kleineren Gruppen alle Potrero’s umgeben. Ausgewachsen steigt sie über hundert Fuß senkrecht empor, eine Krone von glänzend grünen Blättern tragend, und darunter blinken in dicken Büscheln die korallen-farbenen Früchte. Diese Palme baut mit ihrem Holze dem Gutsbesitzer die Häuser und deckt sie mit ihren Blättern; ihre Früchte und ihr Mark nähren das Vieh, und ihr Bast gibt ihm, was er an Stricken bedarf. Neben solchen Baumriesen erscheint das zehn Fuß hohe Gras kaum größer, als das unserer Wiesen unter Erlen. Ueber jeden Bach aber wölben sich Dalbergien, schönbelaubte Bäume, mit den Blüthentrauben der rothen Akazie unserer Gärten. Eine Hütte mit niedrigem Palmendach, ohne Fenster, genügt in diesem Paradiese dem Reichsten, und wenn nicht europäisches Machwerk, Kleider, Stoffe und Geräthe, an die alte Welt und seine Civilisation erinnerten, so könnte ein solcher Caballero im Kreise seiner Knechte, umgeben von den zahlreichen Heerden, an den Zustand der Patriarchen des alten Bundes erinnern.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/76&oldid=- (Version vom 2.12.2024)