Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/60

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

die alten, großen Städte Oberitaliens erinnert. An diesen Kern schließen sich die neuen Straßen und Plätze an, mit modernen Prachtwohnungen, wo der Reichthum sich häuslich eingerichtet, oder weitläufige Fabrikgebäude mit dampfenden Schornsteinen dahinter und im Innern dröhnende, stöhnende Dampfmaschinen. Ueberall aber glänzen elegante Kaufläden, die Magazine der tausendfachen Bedürfnisse der Bequemlichkeit und des Luxus.

Unter den Gebäuden der Stadt zieht uns des Doms dunkle colossale Masse am meisten an, als weltberühmtes Meisterstück altdeutscher Kirchenbaukunst und durch die Kunstschätze, mit welchen die bilderfrohe Frömmigkeit früherer Lage sein Inneres schmückte. Er ist ein Werk des 13. Jahrhunderts, und sein Bau erforderte 88 Jahre. Der 440 Pariser Fuß hohe Thurm ist jetzt der höchste in Europa. Die Malereien machen diese Kirche zu einem Museum, und kaum minder kostbar als die Gemälde sind die Meisterstücke der Holzsculptur an Kanzeln, Betpulten, Chorstühlen etc. etc., von welcher fast alle Antwerpner Kirchen mehr oder weniger Vortreffliches aufweisen. Unter den Domgemälden ist das herrlichste die Kreuzabnahme von Rubens, des Meisters Hauptwerk, das aber leider schnell seinem Untergange zueilt. Rubens selbst ruht, umgeben von andern seiner Werke, in der Jacobskirche, und sein Haus (in der Rubensstraße) wird von der begeisterten Ehrfurcht erhalten, die dem großen Künstler erst kürzlich ein schönes Denkmal errichtet hat. – St. Paul (bei den Dominikanern), St. Andreas, die Augustinerkirche, so wie die Kirche des heil. Antonius von Padua enthalten alle kostbare Werke der flämischen Schule: namentlich viele von Rubens, viele von Van Dyk, Jordaens, Teniers, Franz Floris; auch einige kostbare Bilder der alt-niederländischen, oder van Eyck’schen Schule. – Des hiesigen Museums Bilderschatz hat Weltruf. Nur allein 11 Rubens und 6 van Dyck’s bewahrt es; außerdem die schönsten Werke von Franz Floris, Matsis u. a. – Noch zieht im älteren Stadttheile ein gewaltiges, finsteres Gebäude die Aufmerksamkeit jedes Fremden auf sich: der Palast der Hansa, (die Ostrelins), mit seinen massiven Hallen, ein Stück aus Antwerpen’s großer Vorzeit. Sodann das Rathhaus, weniger colossal zwar, als die Brüsseler und Genter, aber im heitern gothischen Style; endlich die Börse, das erste Gebäude dieser Art im nördlichen Europa, und das Prototyp aller übrigen. Sie ist im 16ten Jahrhundert gebaut worden, in der Zeit, als Antwerpen der Mittelpunkt des Welthandels war. Damals versammelten sich 6000 Kaufleute täglich in ihren Säulengängen und man hörte da alle Idiome und Sprachen der Erde.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/60&oldid=- (Version vom 1.12.2024)