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als die Bahnpreise herunter gesetzt wurden, die Benutzung der Bahn gestiegen ist, und dieß in einigen Fällen so sehr, daß bei halben Preisen sich die Unternehmer besser standen, als früher bei den doppelten. Denke man sich nach Vollendung aller Bahnen und bei’m Minimum der Fahrpreise das Gewimmel der Bevölkerung! Es ist gar nicht abzusehen und die wunderbarsten Verhältnisse werden daraus hervorwachsen. Die Perspektive ist so colossal und endlos, daß sie jeder Maasberechnung spottet. – Noch ist die längste der von London ausgehenden fertigen Bahnen die, welche über Northhampton, Nottingham, York nach Durham führt, und im nächsten Jahre schon über Newcastle nach Edinburgh fortgesetzt werden wird. Bis York sind’s fast 200 englische Weilen. Man macht diese Fahrt in 8 Stunden für 1 Pfund Sterling. Vor 25 Jahren brauchte man dazu, mit Extrapost, 2 Tage und 3 Nächte; die Reise kostete das Achtfache, der Mehrbeschwerde nicht zu gedenken. Eine zweite fertige, auch lange Bahn geht über Birmingham nach Liverpool. Nach Birmingham sind’s 100 englische Meilen; man braucht dazu 10 Schilling und 3 Stunden. Sie wird wöchentlich von 60,000 Personen befahren. Im nächsten Monat (Januar 1841) steht die Eröffnung einer Fortsetzung dieser Bahn bis nach Lancaster (210 engl. Meilen von London) zu erwarten. Alle diese Bahnen sind nur ein Paar Hauptfäden des über den ganzen Norden von England gelegten Netzes. Unglaublich ist die Thätigkeit, welche sich für die schleunigste Vollendung desselben entwickelt. Ueberall in diesem Theile des Landes sieht man Tausende und aber Tausende von Arbeitern, Viadukte erheben sich, Brücken werden geschlagen, Durchstiche gemacht, Dämme aufgeworfen, und Tunnels wühlen und wölben sich durch der Berge Bauch. Schon ist der frühere Verkehr vervierfacht und jeder Distrikt, jede Grafschaft, jede Stadt beeilt sich, Theil zu nehmen an der allgemeinen Erndte.

Unter den kurzen, von London ost- und südwärts auslaufenden Bahnen zieht die nach Greenwich, wegen der Kühnheit ihrer Bauart, die Aufmerksamkeit aller Reisenden auf sich. Ihr Bahnhof ist an der rechten Seite der Londoner Brücke; er gehört ihr und der nach Brighton führenden Bahn (die zur Zeit erst bis Croydon fahrbar ist) gemeinschaftlich. Der Stahlstich gibt dessen Ansicht bei der Anfahrt. Trotz der ungeheuern Summe, welche, der besondern Lokalverhältnisse wegen, der Bau kostete, macht sich diese kleine, 5 engl. Meilen lange Strecke doch bezahlt. Für den Grund und Boden zu dem Pfeilerraum hat man allein über eine halbe Million Gulden ausgegeben.

Es war eine des Zeitalters würdige Idee, ein Riesengedanke war es, eine Eisenbahn zu bauen, welche, von Anfang bis zu Ende thurmhoch über einen großen Theil von London hinweg führt. Der ganze Trakt ruht auf einem Viadukt von etwa tausend Bögen, zwischen denen zum Theil schon wieder Wohnungen eingebaut sind. Mehre hundert Hauser mußten angekauft und niedergerissen werden, um den Bahnraum zu erhalten. Der Bau begann im Frühjahr 1834; er kam binnen 3 Jahren zu Stande. – Ihre Frequenz im Sommer ist ungeheuer. Zuweilen

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/29&oldid=- (Version vom 30.11.2024)