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öffentliche, theils Privatgebäude, würden in norddeutschen Städten imponiren; hier, wo die Nachbarin Venedig den Maßstab gibt, erscheinen sie nicht bedeutend. Die neuern Stadttheile umgeben den, fast eine Stunde sich ausspannenden Halbkreis des herrlichen Molo, und Canäle verbinden den Hafen unmittelbar mit dem Innern der Stadt zur großen Erleichterung des Verkehrs. Der Canal grande ist breit und tief genug, um beladenen Schiffen, die bis 10 Fuß Wasser ziehen, das Einlaufen zu gestatten. Der Hafen ist vortrefflich (Schiffe von 350 Tonnen können unmittelbar beim Molo anlegen), aber für den unglaublich großen, immer wachsenden Verkehr des Platzes doch zu klein, ein Umstand, der um so fühlbarer wird, da die Quarantaine immer eine größere Menge Schiffe (alle, die aus dem Orient und Aegypten kommen), auf längere Zeit festhält. Es gibt Perioden, wo 600 Schiffe zugleich im hiesigen Hafen ankern. – Die Bevölkerung Triest’s ist die buntscheckigste vielleicht von ganz Europa, und ein Gemenge von 20 bis 30 verschiedenen Nationen. Der Kern ist italienisch; von den übrigen Volkselementen: den griechischen, slavonischen, illirischen etc. etc., überwiegt das deutsche. Alle europäischen Handelsnationen haben, unter ihren Consuln, Etablissements auf dem Platze, die, wie z. B. die englischen, kleine, in geselliger Beziehung ziemlich abgeschlossene, Colonieen bilden. Der Hafen ist frei, und in diesem Vorrechte, das Venedig theilt, ruht eben so, wie in seiner günstigen Lage, die Handelsgröße des Platzes; denn über Triest bewegt sich fast die Hälfte der gesammten Ein- und Ausfuhr des österreich. Kaiserstaates. An 10,000 Fahrzeuge kommen und gehen alljährlich; 10 Millionen Zentner beträgt das gesammte Waarenquantum; dessen Werth 70 bis 80 Millionen Gulden. Nehmen wir London, Liverpool und Marseille aus, so überragt Triest’s Waarenverkehr jetzt den jeder andern Handelsstadt in Europa. Für levantische Produkte ist es der erste Markt; eben so für ungarische Ausfuhr-Erzeugnisse; der größten einer für Kaffee, für Baumwolle (jährliche Einfuhr über eine halbe Million Zentner!), für Zucker, sowohl rohen als raffinirten. Der hiesige Handel ist in den Händen von ungefähr 900 Häusern, aus denen eine Anzahl colossaler Firmen hervorragt, von welchen jede allein für Millionen Geschäfte macht. Mehre Banken, an 20 Assekuranzgesellschaften und das österreichische Lloyd mit seinen großartigen Unternehmungen, (der levantischen Dampfschiffahrt etc. etc.), unterstützen und vermehren wechselseitig den Triester Verkehr, gegen den die hiesigen Fabrikgewerbe (Zuckersiedereien, Rosogliobrennereien, Conditoreien etc.), obschen an sich ansehnlich, ganz in den Hintergrund treten. Die Schmuggelei (da Triest selbst, als Freihafen, keinen Eingangszoll bezahlt, so ist es landeinwärts von einer Douanenlinie umgürtet), war ehedem ein großes Gewerbe und systematisch organisirt; es hat aber in neuerer Zeit, in Folge schärferer Controlleinrichtungen, sehr abgenommen. Eine weise Reduction des österreichischen Zolltarifs würde sie mit einem Schlage vernichten, und, ohne dem Staate seine Einnahme zu verkürzen, die Hülfsquellen der Länder, welche Oesterreichs Kaiserstaat umfaßt, einer Entwicklung entgegen führen, deren Grenzen gar nicht zu berechnen sind.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/23&oldid=- (Version vom 29.11.2024)