Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
|
Von der Mächtigkeit des Fahluner Erzlagers wird man sich einen Begriff machen können, wenn man erfährt, daß man wöchentlich über zehntausend Zentner gewinnt. Die Hauptmasse besteht aus sehr armem Kupferkies. Alle Arten reicherer Kupfererze kommen zwar auch vor, doch selten in Menge.
Die Fahluner Erze werden im Reviere selbst verschmolzen; raffinirt aber wird alles Kupfer auf der großen Hütte zu Afvestad, einem dalekarlischen Flecken. Die weitere Verarbeitung zu Kesseln etc. etc. geschieht großentheils auf den Hammer- und Hüttenwerken in der Gegend. Mehre tausend Zentner werden jährlich zu Messing gemacht; das meiste aber zu Platten für das Beschlagen der Schiffe. Trotz der Armuth der Erze ist die reine Ausbeute der Grube immer noch beträchtlich.
Unglücksfälle in diesem Bergwerke sind jetzt nicht häufig; aber da doch alle Jahre einige vorfallen und in früheren Zeiten viel mehre, so ist es kein Wunder, daß man so viele eingehauene Kreuze sieht, welche die Stellen bezeichnen, wo ein Arbeiter die letzte Schicht seines Lebens verfuhr. Eine traurige Geschichte dieser Art ist auch für die Wissenschaft interessant geworden. Im Jahre 1670 war es, daß der Hauer Israelson am Weihnachtsabende sich in der Grube befand; er hatte eine doppelte Schicht verfahren, um mit dem höheren Lohn seinen Kindern eine kleine Christbescheerung zu kaufen. Von der Anstrengung überwältigt, setzte er sich, vor der Ausfahrt, auf den gewonnenen Erzblock, um auszuruhen, und schlief ein. Unterdessen war seine Lampe erloschen; erwacht, fand er sich allein in dem stundenlangen, labyrinthischen Bau. Seiner Kundigkeit der Wege trauend, tappte er fort; – er verirrt sich und sieht den Tag nie wieder. Vergeblich wird die Grube durchforscht überall, wohin man gelangen konnte; denn viele verlassene Strecken des uralten Baus sind eingestürzt, oder ersoffen; – aber keine Spur ist zu finden, als die erloschene Lampe an bem Orte, wo er gearbeitet hat. – Fünfzig Jahre nachher, im J. 1719, sollte einer der ältern ersoffenen Baue wieder gewältigt werden, um die dort verlassene Erzader von neuem zu verfolgen. Als man nun das Wasser ausgepumpt und in 600 Fuß Tiefe einen Haufen Gesteinstrümmer weggeräumt hatte, sieht man an der Wand einen Bergmann liegen. Er ist geisterbleich und scheint zu schlafen; er hält die linke hand, welche ein Tuch krampfhaft gefaßt hat, vor dem halbgeöffneten Munde; man rüttelt, – es ist eine Leiche: frisch wie von gestern. Niemand kennt ihn, Niemand hat ihn gesehen. Er wird herausgeschafft und ausgekleidet: da findet man auf dem Schloß seines Gürtels den Namen des Verunglückten und die Jahrzahl eingegraben. Alle Haut- und Fleischtheile waren vollkommen erhalten, nur war das Fleisch fester; es konnte wie Seife zerschnitten werden. An Haaren, Nägeln, Kleidung war nicht die mindeste Spur der Verwesung. Die vitriolischen Grubenwasser hatten die Erhaltung bewirkt, und seitdem hat man diese Entdeckung mehrfach wieder geprüft und stets bestätigt gefunden.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/227&oldid=- (Version vom 13.12.2024)