Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/216

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

sie ihre alten Mauerschranken nach allen Richtungen eine halbe Stunde weit übersprungen, nordwärts streckt sie sich bis Schwabing aus, oder wird durch den englischen Garten, den schönsten Park in Deutschland, an der weitern Ausdehnung nach dieser Seite hin gehindert. Aber die Schlösser und Landhäuser, welche stolz und zierlich über die Wipfel des Lustwalds ragen, oder da und dort eine Perspektive ausfüllen, verdecken auch hier die Begränzung der Stadt.

Der Totaleindruck des heutigen Münchens ist das Gegentheil von dem oben geschilderten: er ist anmuthig, freundlich, malerisch. München ist nicht wie manche andere große Städte, z. B. Prag, Mailand, Neapel, Paris, oder Amsterdam etc., ein Labyrinth enger, winkelvoller Gassen, wo ein paar Hauptstraßen und einige Reihen prächtiger Paläste hunderte von Sackgassen und Höfen verbergen, in welche nie ein frischer Luftzug dringen kann. Das Charakteristische der bayerischen Metropole ist vielmehr, daß die neuen Häusergruppen sich nach keiner Seite hin zu einer festen, compakten Masse einigen; die hie und da fortlaufenden Fronten der Neugebäude brechen meist plötzlich ab, Gärten und Anlagen treten dazwischen, und erst in größerer Entfernung sieht man neue Gebäudelinien aufgerichtet oder sich erheben. Dieß Vereinzeltseyn bringt zwar für die Bewohner der neuen Stadttheile manches Lästige mit sich; aber auf der andern Seite hat auch dieses Werden, Entstehen und Wachsen besondere Reize. Die Natur ist noch nicht verdrängt; es taucht das frische Grün noch zwischen den Häusern auf, und die schönsten Paläste verlieren nicht in solcher Umgebung.

Dieß ist das Totalbild des heutigen Münchens. – Einige Glanzpunkte, das Schloß des Königs, wo der fürstliche Luxus, vom Kunstgeschmack geadelt, in goldenen Sälen haust, und jene Tempel und Paläste, die der König den Wissenschaften und Künsten zur Bewahrung ihrer Schätze aufgerichtet hat, die Glyptothek und Pinakothek, haben wir schon in einem früheren Bande dieses Werkes betrachtet.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/216&oldid=- (Version vom 13.12.2024)