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Kriege als Gefangene lieferten, wurden, nach Abzug dessen, was Italien zum Schlachten im Circus brauchte, in die Provinzen vertheilt, und wenn die Fehden mit den Barbaren nicht ein hinlängliches Contingent hergaben, so öffnete man die Gefängnisse und ließ die Verbrecher sich würgen. Erst am Abend des römischen Tages, als, durch Constantin, das Christenthum zur Staatsreligion sich erhob und es die Barmherzigkeit in die Welt zurück führte, lange nacher, als in Rom selbst die Arenen geschlossen waren – hörte das Spiel des Menschenwürgens in Spanien auf. An seine Stelle, – denn der verwilderte Sinn des Volks forderte Ersatz – traten die Stiergefechte, und dem Umstande, daß die Amphitheater die Bühnen des neuen Schauspiels blieben, ist auch die lange Erhaltung mehrer dieser Monumente in Spanien zu danken.




CCCLXIX. Der Augustusbogen bei Aosta in Piemont.




Civitas Augusta! Dein Thor steht noch, aber was ist aus dir, du Gepriesene, geworden? ein dunkles, winkliches Landstädtchen voller Schmutz und voller Armuth. Das heutige Aosta hat in der That kein Interesse weiter, als das, welches ihm die Vergangenheit verleiht. In einer niedrigen Häuserreihe sind die Umrisse eines Cirkus gezeichnet, eine andere steht auf dem Fundamente eines Palastes, und in der Einfassungsmauer eines Klosters wollen Manche die Ueberreste eines Theaters sehen. Inschriften in dem schönen Dom, welche man als Grabsteine christlicher Märtyrer ausgibt, rühren von heidnischen Römergräbern her, oder sind Votivtafeln, welche man aus den Tempeln der verjagten Gottheiten nahm. Freuen kann sich in diesem Falle der Alterthumsforscher der gläubigen Einfalt, oder des frommen Betrugs, da er jene Inschriften vor der Zerstörung schützte; wenn er aber bei der Betrachtung bekutteter Heiligenbilder die verstümmelten Formen einer antiken Helden- oder Götterstatue gewahrt, einen Herkules unter der Metamorphose eines Sankt Antonius erkennt, oder eine Niobe als Sankta Clara: dann eilt er mit Ingrimm hinaus, dahin, wo die Natur mit zarter, mütterlicher Hand jede Ruine sinnig ausschmückt, und das schon Gestorbene mit dem jungen, grünen Leben umschlingt. –

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/200&oldid=- (Version vom 11.12.2024)