Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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zur Faulheit zu dressiren, war damals noch nicht erfunden. Der Krieger schwang das Schwert in der Schlacht, aber Axt und Spaden im Frieden. Er lichtete die Wälder, zog Straßen über die Gebirge, grub Canäle aus, und warf selbst die Wälle auf, hinter denen er das Land schützen sollte, welches er gewonnen. Er lichtete die ungeschlachte Barbarenwelt, bändigte die blinden Naturgewalten und legte den Acker zur Aufnahme höherer Saat bereit.
Zu dieser Zeit, während der Regierung Trajans, erstand auf dem Felsen, wo gegenüber der Granfluß aus lieblichem Thale mündet und wo jetzt die Zinnen des Graner Schlosses zu sehen sind, das römische Strigonium. Es war ein Castrum und einer Legion zum Aufenthalt angewiesen. Unter dem Schutze der Veste keimte die Stadt. Strigonium blühete lange – und es verblühete mit dem Reiche, dem es angehörte. Rom’s Traum war ausgeträumt; – vor den, wie hungrige Heuschreckenschwärme hereinstürmenden Horden der scythischen Steppen verging Rom’s Pracht und Herrlichkeit im ungarischen Donaulande. Palast, Forum, Academie, Castren und Städte schwanden wie Schattenspiel; nicht einmal die Namen blieben.
Erst im 10ten Jahrhundert tagt es wieder nach langer Nacht in diesen Gegenden, und auch das alte Strigonium wird wieder genannt als das Städtchen Gran. Aus den Ruinen der römischen Veste hatte man eine fürstliche Burg errichtet. Herzog Geisa wohnte dort und der nachmals für die Wiedereinführung des Christenthums im Lande so thätige heilige Stephan wurde dort geboren. –
Gran erwuchs zur ansehnlichen Stadt und blühete bis ins sechzehnte Jahrhundert. Da kam die dritte Nacht über das Land, in das der türkische Halbmond ein todtenbleiches Streiflicht warf, – kein wohlthätiges Sonnenlicht; – Gran fiel 1543 in die Hände der Muselmänner, wurde geplündert, seiner meisten christlichen Einwohner durch Schwert und Sklaverei beraubt, theilweise zerstört. Es blieb in des Sultans Händen bis 1683. Nach der Befreiung wurde es zum Lohn für so viele erlittenen Drangsale Freistadt, erhielt große Privilegien, ward Sitz eines Erzbischofs, der zugleich die Würde eines Primas von Ungarn bekleidet, und, vermöge seiner günstigen Lage, zugleich der eines bedeutenden Handels.
An der Stelle der türkischen Moscheen erstanden nun Klöster und prächtige Kirchen. Unter den letztern ist die kürzlich vollendete Metropolitankirche zu den herrlichsten und großartigsten des Reichs zu rechnen. Auch eine Menge Bildungsanstalten keimten auf und gediehen; so die beiden Seminarien für angehende Priester u. das Gymnasium. Am Fuße des Schloßberges wurden die schon von den Römern gekannten u. während der Türkenzeit benutzten warmen Heilbäder neu gefaßt und mit bequemen Einrichtungen versehen, und sie werden jetzt häufig besucht. Handel auf der Donau und Tuchfabrikation machen das Hauptgewerbe der hiesigen 13,000 Einwohner aus.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/190&oldid=- (Version vom 10.12.2024)