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freien Zutritt zu allen Theilen der weitläufigen Anlage gewährt. Er besteht, wie das Serail in Constantinopel, aus einer Menge abgesonderter Gebäude, welche durch Corridors, Säulen- und Laubengänge mit einander in Verbindung stehen, und von feenartigen Gartenanlagen mit Bädern, Springbrunnen, Kiosks etc. umgeben sind. Unser Stahlstich zeigt die Gebäude von der Seite des Harems mit seinen Gärten, und in der Ferne sieht man den Erker des Audienzsaals, wo einst, hinter goldvergitterten Fenstern, die Lieblingsfrauen des Chans ungesehen die glänzende Versammlung des Adels und der Offiziere betrachten durften. – Portiken, Moscheen und Fontainen sind geziert mit Inschriften in arabischer Sprache, meist Sprüche aus dem Koran, andere mit den Namen und überschwenglichen Titeln der Chane, die hier gelebt und geherrscht haben. Alles ist noch wie in den Tagen des großen Dwelet Ghirei: – nichts fehlt – als die Menschen. Still ist alles; still wie das Grab. Kein Fußtritt tönt durch die hohen vergoldeten Hallen, der des bedreßten Schließers ausgenommen und der Neugierigen, welchen er die verlassenen Räume öffnet.




CCCLXVI. Gran in Ungarn.




Ungarn war schon in den ersten Jahrhunderten unserer Aera ein Sitz der Römer. Von der Stadt der sieben Hügel trug der nimmer rastende Krieg die Fahne der Gesittung an den Strand der Donau und pflanzte sie auf in dem ungebrochenen Boden. Um sie war Drang und Kampf und Streit ohne Rast zwei Jahrhunderte hindurch, und Rom mußte in den Ebenen Ungarns aller Mühsal des alten Herkules sich unterwinden, bis endlich die Völker ihre Häupter vor dem Adler beugten, der vor ihnen aufflog. Die gewonnene Herrschaft zu sichern, wurden Vesten (Castra) von einem Ende des thrazischen Landes bis zum andern aufgerichtet, viele am Donaustrome, bald dies- bald jenseits, und Legionen hinein gethan, die zugleich zügelten und, unähnlich den stehenden Heeren der Gegenwart, nützliche Werke des Friedens verrichteten. Die Kunst, das beste Jugendblut der Völker in stagnirende Sümpfe zu leiten und die rüstigste Kraft der Nationen, als stehende Heere, zu Paradekünsten und

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Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/189&oldid=- (Version vom 10.12.2024)