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CCCLXII. Die Burg Hildgardsberg in Bayern.




Drei Meilen oberhalb Passau, wo die Castra Quintana der Römer gestanden, deren Mauerwerk noch an vielen Stellen unter Gestrüpp und Gesträuch aus dem Boden ragt, aus welchem Egge und Pflugschaar Münzen, Scherben, Inschriften häufig an’s Tageslicht bringen, wendet die Donau aus dem bayerischen Flachlande ihren Lauf nach Südost und strömt mit breitem Spiegel zwischen Hügeln hin, die am Fuße mit üppigen Feldern und Obsthainen prangen und auf ihren Scheiteln Holzung tragen. Allmählich steigen diese Hügel zu zwei Ketten von Bergen empor, zwischen denen sich überall reiche, reizende Landschaftgemälde zeigen. Am Eingang in dieses, den schönsten zu vergleichende, Stromthal, stand vor Alters eine Burg, stattlich und gefürchtet. Hildgardsberg war der Horst eines Raubrittergeschlechts, welches, so weit sein langer Arm reichte, ungescheut stahl und drückte und drangsalte, wo was zu stehlen und zu erpressen war. Opfer ohne Zahl verdarben in seinen schauerlichen Verließen; Unglück und Qual und Jammer häuften sich da, in den Prunkgemächern darüber aber Schätze und Reichthum. Zwei volle Jahrhunderte lang trieben die adeligen Herren ihr angestammtes Handwerk, bis 1356 Albrecht der Zweite, Rudolf von Habsburg’s würdiger Enkel, die Zinnen des Raubnests brach und die Insassen erschlug. Seitdem schmückt’s als Ruine die friedlichen Ufer.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/171&oldid=- (Version vom 8.12.2024)