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des Winkelried’s, steht bei Morgarten auf der Matte. Aber vor Allen war Tell gefeiert – dessen kühne That das Volk zuerst ermuthigte, seine Kraft zu gebrauchen und die Fesseln zu zersprengen. Uri errichtete ein solches Gotteshaus seinem Tell zu Bürglen, wo er gewohnt, und ein anderes auf der Klippe am See (auf der Tellsplatte), wo er seinen Wächtern glücklich entflohen war. Nicht minder dankbar seinem Andenken weihete ihm Schwyz eine dritte Kapelle, auf demselben Plätzchen, wo er gestanden, als er bei der hohlen Gasse zwischen Immisee und Küsnacht den Vogt durch den Pfeil erlegte. Von dieser sehen wir die treue Darstellung im Bilde.

Unverändert wie das Andenken seines Helden, so ist auch das Hirtenvolk der freien Waldstätten – daß Volk von Uri, Schwyz und Unterwalden – durch die Zeiten gegangen. Fromm und gottesfürchtig, ist ihm alles Große und Ehrwürdige aus den Tagen der Vorzeit überaus theuer; vor allem die Religion und die Verfassung. Beide sind ihm heilig und nach seinen Begriffen ist jede Aenderung an letzterer ein Antasten der Freiheit selbst. Mit der Muttermilch ist in dem Waldstättner die Ehrfurcht und die schwärmerische Liebe für das aus dem Alterthum durch seiner Ahnen Muth erhaltene Landesgesetz und eben so für die mit ihm engverbundene katholische Kirche aufgewachsen. Eins ist ihm so werth, wie das andere; die Zerstörung des einen ist ihm Vernichtung des andern: – daher das hartnäckige Widerstreben jener Urcantone gegen alle Neuerungen, allen Fortschritt im Schweizerischen Volksleben, und ihr ewiger Hader mit den neuerungssüchtigen Bündnern. Die Thatsache ist zu beklagen; aber das Motiv ist ehrwürdig und gut.


Noch ein Wort. Unsere Zeit, die sich in Gegensätzen brüstende; – die Zeit, in der man es wagen konnte, das Daseyn des ehrwürdigsten aller Menschen wegzuleugnen, – die hat es auch gesehen, daß man Tell’s Namen aus der Geschichte streichen wollte. Den Advokaten und Aposteln von Tyrannei und Volksbetrug, ihnen war Tell’s praktische Lehre vom Recht der Selbsthülfe ein Aerger und Gräuel von jeher. Daher kam die Meute auf den Einfall, die Wirklichkeit eines Tell’s geradezu in Frage zu stellen und die ganze Historie als eine Lüge zu denunziiren, als die Erfindung eines müßigen Chronisten, oder als einen Traum, den man dem dummen Volke aufgebunden. Es ist nicht lange her, daß der alberne Anschlag vor dem Forum geschichtlicher Forschung mit Schimpf und Spott geendigt. Seitdem haben nun jene Anwalte die Taktik geändert. Sie zergliedern Tell’s That, weil sie sich nicht wegleugnen läßt, mit dem Messer der christlichen Moral – und vom Helden bleibt nur der Mörder zurück! Euch, ihr Anatomen des Rechts, – armen Schächern! – rufe ich zu mit unserm Schiller:

– – Eine Grenze hat der Herrscher Macht.
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/167&oldid=- (Version vom 8.12.2024)