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Schon am nächsten Tage ruhen wir in der Hauptstadt Chili’s, in dem schönen Valparaiso, von den Beschwerlichkeiten des Andenübergangs aus. Nach kurzer Rast schiffen wir uns auf einer Brigg ein, welche nach Callao unter Segel geht.

Günstiger Südwind bringt uns am achten Tage in’s Angesicht der nackten und unfruchtbaren Küsten Peru’s, und in der Ferne ragt wieder die blaue zackige Kette der Anden, deren Gipfel sich in die Wolken verlieren. Der Zugang des Hafens von Callao, des besten der ganzen amerikanischen Westküste, ist enge und wird durch die starken Werke der Festung Boquerone vertheidigt. 300 Feuerschlünde sind nach dem Eingang und seewärts gerichtet, und machen eine feindliche Annäherung ohne Verrath geradezu unmöglich.

Callao, die Hafenstadt, liegt in viertelstündiger Entfernung von der Veste. Sie ist klein, aber sehr belebt durch Schiffsvolk aller Nationen. Von Callao geht eine Diligence nach dem 4 Stunden fernen Lima täglich ab; gewöhnlich aber miethet man Maulthiere und reitet dahin. Die ganze Landstrecke, welche die beiden Städte trennt, besteht aus Flugsand und ist mit Unfruchtbarkeit geschlagen. Regen und Gewitter sind in dieser Gegend unerlebte Dinge. Erst in der Nähe der Hauptstadt verwandelt sich durch künstliche Bewässerung die Oede in die lachendste, üppigste Fruchtbarkeit, und das breite Thal des Rimak zeigt die Fülle der tropischen Pflanzenwelt.

Lima, die reichste Stadt in ganz Südamerika, liegt in diesem Thale, und seine vergoldeten Zinnen glitzern zwischen Hainen von Palmen und fruchtbeladenen Mango’s. Die nächste Umgebung von Lima ist reizend; sie gleicht einem Paradiese.

Unmittelbar vor der Stadt breitet sich der öffentliche Park aus, die neue Alameda, dessen schattige Alleen und Gänge die Einwohner der Hauptstadt an jedem heitern Nachmittag versammeln. Man promenirt hier zu Pferde; Fußgänger sind weniger häufig; zartgestaltete junge Damen sitzen, wie Männer, reitlings zu Roß, silberne und goldene Sporen glänzen an den niedlichen Füßchen, und die Cigarre dampft zwischen rosigen Lippen, hinter denen die schönsten Zähne sich zeigen. Die Gewohnheit der Damen, zu rauchen, ist hier noch herrschender, als in Mexiko. Sie ist allgemein und geht von der Sklavin bis zur Herzogin durch alle Stände. – Eine häßliche, kreisrunde, hohe Mauer von an der Sonne gedörrten Backsteinen, welche so dick ist, daß man mit Wagen auf ihrer Krone fahren könnte, scheidet die Stadt von ihrem Gartenkranze, und gewaltige Bastionen, aus deren Casematten die Feuerschlünde, zweifach über einander gethürmt, drohend niederschauen, umgeben und schirmen jede der sieben Pforten Lima’s. Durch das lange, finstere Gewölbe des Thors de Maravillas ziehen wir ein in die Metropole der Republik. Bald bemerken wir indessen, daß Lima seine großen Tage gelebt hat. Noch steckt zwar colossaler Reichthum in seinen Mauern; aber der alte Glanz, in dem es ehedem bei unermeßlichem Handel und als die Gold- und Silberbergwerke mit geringer Mühe unglaublich große Ausbeute lieferten, strahlte, ist erbleicht.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/147&oldid=- (Version vom 7.12.2024)