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Astrachan liegt auf einer Insel in der hier mehrere Stunden breiten Wolga, etwa sieben Meilen von deren Mündung in das kaspische Meer. Der Strom ist tief genug, große Seeschiffe zu tragen. Die ganze Gegend rund um ist ödes, unfruchtbares Steppenland, in welchem schwache Nomadenstämme (Kalmücken etc.) ihre Heerden weiden. Aber vermöge der Wolga, die Astrachan mit allen Theilen des Reichs, bis Petersburg und zur Ostsee, in direkte Verbindung bringt, und bei der unglaublichen Wohlfeilheit des Wassertransports ist die Stadt immer mit Lebensmitteln jeder Art im Ueberfluß versehen, und sie sind fast eben so wohlfeil, als an den Orten ihrer Erzeugung. Astrachans Lage für den Handel ist die günstigste im ganzen russischen Staate. Die Wasserverbindungen mit dem Binnenlande beherrschen ein Gebiet von mindestens 60,000 Quadratmeilen, und der Verkehr mit Centralasien (Persien, der freien Tartarei und den östlichen Provinzen der Türkei) mittelst des kaspischen Meeres, der ganz in den Händen des Platzes ist, ist einer nicht zu berechnenden Entwicklung fähig. Er ist schon jetzt sehr groß und erweitert sich alle Jahre. Nach Persien werden von Astrachan vorzüglich einheimische Fabrikate: Juchten, Saffian, Chagrin, Seidenwaaren, baumwollene Zeuche; – sodann wollene Tücher und europäische Manufakturwaaren verschifft, wogegen persische Waaren, rohe Seide, goldgewirkte Gürtel, Teppiche, Reis, Spezereien und Rhabarber zurückkehren. Bukhara bezieht jährlich für mehr als eine Million hiesige und ausländische Fabrikate, und führt dagegen Lämmerfelle, Federn, Seife, Gold- und Silberwirkereien, Corallen, Cochenille etc. ein. Die Kalmücken und Tartaren von Taschkent und Chiva bringen Vieh, Seife, Rhabarber, Moschus und andere kostbare Spezereien her. Ein sehr geräumiger Hafen erleichtert der Stadt die Benutzung ihrer guten Handelslage. Der Wolga-Verkehr wird durch etwa 2000 Barken betrieben, und der des kaspischen Meeres mittelst sogenannter Schuiten und Razschiten, die 100 bis 200 Tonnen tragen. Der Haupthandel ist mit den tartarischen Häfen Balk und Mongischlack; mit den persischen Astrabad und Balfrusch und mit Baku. In den letzten Jahren ist auch die Dampfschifffahrt eingeführt worden, und es existiren jetzt regelmäßige Course zwischen Astrachan und Kasan. Man beabsichtigt, die Fahrten in diesem Jahre bis nach Moskau auszudehnen und seewärts eine geordnete Dampfverbindung mit Astrabad einzurichten. Det gesammte Jahres-Verkehr Astrachan’s auf dem kaspischen Meere summirt ungefähr 4 Millionen Silberrubel.

Fast eben so bedeutend als der Handel ist für Astrachan der Fischfang. Es giebt keinen andern Punkt auf der ganzen Erde, an welchem das Wasser einen so unermeßlichen Reichthum an Produkten den Menschen bietet, als um die Mündung der Wolga. Nirgends ist der Fischfang so ergiebig wie hier, nirgends wird er so in’s Große getrieben, nirgends auch liefert er der Consumtion und dem Handel so werthvolle und so mannigfaltige Gegenstände. Zur Zeit der großen Fischerei, welche im April beginnt, kommen etwa 400 Barken von den benachbarten Küsten hier zusammen, welche die Bevölkerung um 15,000 Seelen vergrößern. Zugleich

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/130&oldid=- (Version vom 6.12.2024)