Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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für eine Equipage und ein paar betreßte, faullenzende Lackayen ausgibt, und mit der größten Ruhe gelegentlich im Monte einige hundert Pesos verliert, oder eben so viel an eine Gasterei wendet, bei der sich Jedermann langweilt.
In der über ½ Stunde langen Alcalastraße, obschen sie an Palästen reich ist, sind doch auch eine Menge ganz gemeiner Wirthshäuser (Osterias), wo die Maulthiertreiber und Frachtfuhrleute aus den Provinzen einkehren, weshalb man hier den Vortheil hat, vielerlei Standes-Nüançen der Bevölkerung eines Blicks zu beobachten. In Gesellschaft der Familie eines Grands auf dem Balkone seines Palastes hört man die rauhe, kräftige Sprache jener Menschenklassen, das Klingen der Maulthierglocken, und darein schallt der Lärm aus einer Weinstube im Hause gegenüber. Dort auf der Höhe der Straße, wo man die Aussicht nach dem Prado und der Puerta del Sol frei hat, trifft man auch jene stämmigen Bursche mit patzigen Gesichtern, weit hinausstehenden Schnurrbärten und spitz zulaufenden Hüten an, tief in Mäntel gehüllt, welche, wenn sie sich gelegentlich öffnen, bunt gestickte Westen und Jacken und ein glänzendes seidenes Tuch zeigen, das, um den Hals gelegt, ein goldner Ring zusammenhält. Sie finden sich gemeinlich Morgens und Abends ein und stehen mit den Hausknechten der Gasthäuser auf vertraulichem Fuße, von denen sie Namen und Stand der Reisenden, die Qualität ihres Gepäckes etc., Route und Zeit ihrer Abreise auskundschaften. Man möchte sie für Agenten der geheimen Polizei ansehen – sie sind jedoch nicht ganz so schlecht – es sind blos Caballeros Ladrones, Stegreifritter, deren die Bürgerkriege viele geschaffen haben. Sie gehen ihrem ehrsamen Gewerbe nach, und sie sind es auch, welche die Gegend von Madrid mit den hölzernen Kreuzen zieren, die wir oben erwähnten.
Eine andere Scene bieten die Galeras (Lastwagen), deren lange Züge mit ihren Mattendächern, der schwerfälligen Bauart, den entsetzlich großen Radschleifen, den wild aussehenden, kräftigen Menschen, dem misanthropischen Hund zwischen den Rädern und den hinten aufgepackten eisernen Töpfen und Kesseln, sich recht malerisch ausnehmen. Sie machen einen artigen Contrast zu den leicht dahin fliegenden glänzenden Equipagen, und geben Zeugniß von den schlechten Wegen und der Oede der Madrider Campagna, welche sogar den Kärner aus der Provinz nöthigt, seine Küche mit auf die Reise zu nehmen.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/126&oldid=- (Version vom 6.12.2024)