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Porta triumphalis der Alcala und durch die unermeßlichen Bogen schweift er die ganze unabsehbare Straße entlang, welche mit den herrlichsten Gebäuden und öffentlichen Denkmälern zu beiden Seiten prangt. Zugleich kann man die Privatgärten und Parkanlagen des Retiro überschauen, deren Pagoden, Thürmchen, Kiosks und Tempelchen aus Baumgruppen ragen.

Auf der Alcala legt sich die spanische Eitelkeit in glänzenden Equipagen und einer Fülle von betreßten Bedienten, Lakayen, Heiducken und Jägern zur Schau aus. Besucht der Reisende ein oder das andere Caffeehaus dieser Straße, um eine Schale Eis oder Chokolade zu schlürfen, so hat er das Nobelste dieser Art gesehen, was die Hauptstadt Spanien’s bieten kann. Dennoch wird er es unter der Mittelmäßigkeit finden, wenn er den Pariser oder Berliner Maaßstab anlegt. Die Gasthöfe sind schlecht und theuer, und wer einen längern Aufenthalt beabsichtigt, thut wohl, sich sogleich in einem der Casas de huespedes, welche den Board and Lodging-Houses in London, oder den Hôtels garnies der Pariser entsprechen, einzuwohnen, wo er für 2 bis 3 Pesos die Woche ein paar mit Estrich oder Backsteinen belegte lichte Zimmer (Salon und Cabinet) und das nöthigste Ameublement findet. Letzteres besteht fast immer aus 2 Tischen, ½ Dutzend Stühlen und einem Kanapee von Kirschbaumholz, mit Binsen überflochten, einer Komode und einem Bett mit Matratzen. Die wohlgeweißten Wände sind häufig mit colorirten Lithographien in Mahagonyrahmen geschmückt, meistens Scenen aus dem Freiheitskriege vorstellend. Heiligenbilder sind fast überall verschwunden. Für Comfort kennt der genügsame Spanier so wenig den Namen, als den Begriff; doch gewöhnt man sich leicht an die nationale Frugalität. Eine sehr kleine Tasse Chokolade und ein Stück Brod ist das allgemeine Frühstück. Gewöhnlich wird sie im Bette genommen, dann aufgestanden und im tiefsten Negligé zum Balkon geschlendert, um mit den übrigen Hausgenossen eine Viertelstunde die frische Luft zu genießen. Man macht dann seine Toilette, raucht eine Cigarre, liest das Tageblatt, und so kommt eilf Uhr herbei, wo man das Dejeuner nimmt, das aus einigen Schnittchen Brod, kaltem Fleisch und einem Glas Wein besteht. Man besorgt dann seine Geschäfte bis um zwei Uhr, die Zeit des Mittagsessens. Dieses besteht unabänderlich aus einer sehr nahrhaften Suppe (gemeinlich Reis in Bouillon gekocht), einer Platte Geflügel oder gekochtem Rindfleisch, Gemüse (gemeinlich Kichererbsen) mit rothen Würstchen als Beilage, und das Ganze schließt mit einem Desert aus Trauben, Nüssen oder Käse. Nun sinkt das ganze Haus in die tiefste Ruhe – es ist die Zeit der Siesta. Die Zwischenperiode bis zur Stunde, wo sich das Theater öffnet, gehört wieder den Geschäften; nach dem Theater wird zu Abend gegessen – und man wird jedesmal guisado, geschmortes Rindfleisch, erwarten, wenn man am seltensten irren will. Damit ist der Madrider Tag zu Ende. Die nämliche Einfachheit stempelt das Leben der reichern Familien; nur mit dem Unterschied, daß ein Mann, der seine 3–4000 Pesos jährlich zu verzehren hat, und doch für den Haushalt kaum 1200 gebraucht, 4 bis 5 Pesos täglich

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/125&oldid=- (Version vom 6.12.2024)