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CCCLIII. Madrid; die Strasse Alcala.




Gruppen ärmlicher Häuser, ein hölzernes, von Wind und Wetter hart mitgenommenes Kreuz, auf dessen Armen einige Kiesel liegen, andeutend das Gebet eines frommen Wanderers für die arme Seele eines Ermordeten; dann und wann ein Zöllnerhäuschen mit Schlagbaum, ein ferner Blick auf die kühn aufstrebende, schneebedeckte Sierra, zuweilen eine glänzende Vista über die dürren, wie ein Meer in Wellenlinien sich hinziehenden Ebenen Neucastiliens, in langen Zwischenräumen die weißen, mehr abstoßenden als anziehenden Häuserwände eines Dorfes, welche die Sonnenstrahlen schmerzhaft-blendend zurückwerfen, und jene widerliche Monotonie der Fernen, welche die völlige Baumlosigkeit noch mehr heraushebt, – das ist die Landschaft, in deren Mitte Karl V. in unbegreiflicher Laune die Hauptstadt seines Reichs gebaut, in welchem damals die Sonne nicht unterging. Nur Roms Campagna kann einigermaßen einen Vergleichpunkt abgeben. Der Reisende, der anfänglich seinen Augen kaum getraut hat, wird endlich ganz muthlos und spannt seine Erwartungen um so tiefer herab, je höher er sie früher geschraubt hatte. Endlich kömmt er an eins der Kloster, welche wie ein Gürtel auf allen Höhen die Hauptstadt umfassen. Todtenstille herrscht – geschlossen sind Fensterläden und Thüren – vor den Thoren, zwischen den Steinsitzen vor denselben, wächst hohes Gras. Aber nur wenige Minuten noch – und Dome und Kuppeln und hochemporgipfelnde Glockenthürme springen, wie auf den Schlag einer Zauberruthe, aus dem Boden, wie silbern strahlen die Zinn- oder Bleidächer etc.; und entzückt ob der Verwandlung, vergißt der Reisende gern die hinter ihm liegende Oede. Einige Schritte weiter, und der großartige Palast des Herzogs von Alba mit seinen Gärten, die ungeheuere Masse des Jesuiten-Collegiums und die Königsburg, die sich stolz aufrichtet and dem dunstumhüllten Häusergewühl, sie werden kenntlich und verkündigen die unmittelbare Nähe des Ziels.

Im Einklang damit steht der Eingang der Straße von Alcala de Henares; er entspricht völlig der glänzendsten Vorstellung von der Hauptstadt eines so großen Reichs. Noch vor dem Thore von Alcala fesselt die unermeßliche Rotunda für die Stiergefechte auf der rechten Seite die Aufmerksamkeit; – jedoch sie erfreut nicht, denn sie versperrt die schönste Aussicht auf die Stadt. Sodann fällt der Blick auf die

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/122&oldid=- (Version vom 15.12.2024)