Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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sie frische Triebe auswerfen könne in die Höhe. Regensburg, du zeugst davon! Fast zwei hundert Jahre lang, von der ersten Sitzung an, die der Fürstenrath in deinen Mauern abgehalten, war die deutsche Geschichte ein Welken und ein Dürren, und als auf des Korsen Zauberspruch die Glieder abfielen, trennten sie sich von einem Leichnam. Der Rheinbund, in dem ich damals blos den Zerstörer sah, er hat sich in der That nicht minder als ein Erhalter erwiesen. Er war das Magazin, das die noch tauglichen Sparren und Balken aus dem morschen Hause aufnahm und sie vor Verderbniß bewahrte, bis die Zeit kommen würde, wo sie zusammen setzen sollten den neuen Bau, in welchem, – mögen auch die Frankfurter Uhren noch so falsch gehen! – eine bessere Zeit die ersten Stunden dennoch geschlagen hat.
Ja, ich preise den Tag, an dem das letzte Buch Papier in Regensburg zum Reichstagprotokolle verdorben wurde, wie ich den Axthieb segne, welcher vom zerschmetterten Stamme das letzte faule Stümpfchen wegnahm. Aufwärts und endlos vorwärts streben die eben dadurch hervorgelockten Schößlinge, welche, wie die Zweige früher eine Krone, ein Stamm vereinigt hat, jetzt die gleiche Wurzel, der gleiche Ursprung, die gleiche Sitte verbindet. Was mir damals, in der langen Nacht, als Untergang des deutschen Sterns erschienen, war doch nur ein Sternschneutzen, und obschon auch er einst als Abendstern leuchten wird, – denn Völkerimmortellen blühen niemals, – so erscheint doch die Bahn, die er noch zu durchlaufen hat, dem Auge in der That unendlich. –
Wörth, der fluthenumbrauste Fels mit seinen Trümmern ist die schönste Parthie der Donau von Linz bis nach Mölk hinab. Die Donau erweitert sich hier und erinnert an eine der gemüthlichern Parthien des Vierwaldstädter Sees in der Schweiz. Alle Felsgipfel der waldumkränzten Höhen prangen mit Ruinen alter Burgen und auf jeder Landzunge lugen Weiler und Dörfer zwischen Obsthainen und freundlichen Gärten heraus. Nahe der Insel bildet der Strom den furchtbaren Greinerschwall, – eine Stelle, wo er über Klippen brausend und schäumend dahin tobt.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/106&oldid=- (Version vom 5.12.2024)