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in der Periode seines Verfalls die Donauländer an die Deutschen verlor, – hausten da nach einander mehre Stamme, und als fränkische Stadt tritt sie mit dem 6ten Jahrhundert auf. Karl der Große erhob sie auf einige Zeit zu seiner Residenz; die Reichsfreiheit bekam sie 1190 vom Kaiser Friedrich I., und gleichzeitig durch die schon sehr frühe und viele Jahrhunderte lang unterhaltene innige Verbindung mit Venedig fing Regensburg’s Handelsgröße sich zu entwickeln an, welche im 13ten Jahrhundert die höchste Blüthe erreichte. Es war damals Regensburg Hauptplatz für den diametrischen Weltverkehr, der auf der Donau den Osten mit dem Westen verknüpfte. Regensburger Schiffer fuhren bis in’s schwarze Meer und der Küste entlang nach Constantinopel, und viele Kreuzfahrer schafften sie auf diesem Wege nach Palästina. Doch ruhete seine Handelsgröße stets auf der Venedig’s, und sie sank, sobald letztere fiel und der Welthandel sich, im 16ten Jahrhundert, neue Bahnen brach. Des 30jährigen Kriegs allgemeines Wehe, mit Pest und Brand im Gefolge, traf die Stadt sehr hart. Ihre Bevölkerung minderte sich während dieser Unglückszeit unter die Hälfte. Erst die Herverlegung des Reichstags, der vom Jahre 1662 an seine ordentlichen Sitzungen hier hielt, öffnete ihr neue Erwerbsquellen, die sie mit dem Fall des Reichs wieder verlor. Eine kurze, für sie glückliche, aber für das deutsche Vaterland trübe Zeit, erwuchs ihr aus der Residenz des Churerzkanzlers, der, nachdem Mainz den Franzosen abgetreten worden war, in Regensburg seinen Sitz bekam. In den Schreckenstagen von 1809 duldete Regensburg viel. Die Franzosen hatten es in Brand geschossen und geplündert. 1810 endlich kam es durch ein Diktat Napoleons an Bayern, in dessen Besitz es seitdem geblieben ist.

Die Lage Regensburg’s am rechten Ufer der schiffbaren Donau ist für den Handel sehr günstig. Durch die uralte Steinbrücke wird es mit Stadt am Hof und dem linken Ufer verbunden. Die ganze Gegend ist eben so schön als fruchtbar. Eine unermeßliche Ebene breitet sich am südlichen Gestade des Stromes hin; am nördlichen steigen Hügel malerisch empor und verlieren sich an den in der Ferne dämmernden Gebirgen der böhmischen Grenze. Prachtvoll erscheint von den höhern Standpunkten die Stadt mit ihrem ehrwürdigen Dom und ihren vielen schlanken Thürmen. Der ganze Charakter der Landschaft ist deutsch, reich an schönen Baumgruppen, fetten Wiesengründen, bewaldeten Höhen, Ortschaften mit gothischen Dorfkirchen, artigen Landsitzen der Patrizier und reichen Kaufleute, und etwas weiterhin staffirt mit Ruinen von Burgen und Capellen. In der Ferne aber ragt der hehre Tempel der Walhalla und sagt dir, daß du dich auf des Vaterlandes geweihtestem Boden befindest.

Das Innere der Stadt trägt den Stempel der alten, deutschen, großen Reichstädte, welche wir früher schon (in den Beschreibungen von Augsburg, Nürnberg und Frankfurt) ausführlich schilderten. Weit überhängende uralte Häuser mit Erker und ungleichen Fenstern, hohen der Straße zugekehrte Giebeln, mit Wetterfähnchen und Thurmspitzen, füllen die engen, winklichen, doch reinlich gehaltenen Gassen der Altstadt. Hie und da guckt ein

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/103&oldid=- (Version vom 5.12.2024)