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Schon in vorchristlicher Zeit opferten die umwohnenden germanischen Stämme auf diesem Berge der Gottheit. Der heil. Kilian, der Frankenbekehrer, stürzte die heidnischen Altäre um und an ihrer Stelle richtete er drei steinerne Kreuze auf, des Evangeliums Siegeszeichen, sichtbar vielen umwohnenden Völkern. Später kam eine Kapelle dazu, zu welcher die Bekehrten wallfahrteten, wie sie früher zu ihren Götzen-Altaren gethan hatten. Zeit und Sturm rissen allmählich das kleine Gotteshaus nieder; blos ein steinernes Kreuz blieb übrig auf der höchsten Kuppe, das Ziel der Pilger. Erst lange nachher ließ der fromme Bischof Julius in Würzburg die Kapelle wieder aufbauen und traf die Einrichtung, daß jährlich an den herkömmlichen Wallfahrtstagen einige Franziskaner vom Kloster Dettelbach herauf kamen, dem Volke zu predigen.

Im dreißigjährigen Kriege, vor dessem Wuth in Deutschland kein Thal zu versteckt und kein Berg zu unwirthlich und steil war, wurde die Kapelle zerstört und das uralte Kreuz freventlich zerschlagen. Die Dörfer und Städte der Gegend waren gleichzeitig verheert worden, die Bevölkerung derselben meistens aufgerieben, und die Wallfahrt erlosch. Erst nach dem Frieden richtete sie sich wieder ein. Bischof Johann Philipp von Würzburg erlaubte den Franziskanern, sich Zellen auf dem heiligen Berge zu errichten; der Klosterbau selbst endlich begann 1681. Bei dieser Gelegenheit fanden sich die Fragmente der drei steinernen Kreuze wieder und die Köpfe der Bildsäulen an denselben von Jesus und den 2 Schächern. Sie wurden außen an der Klosterkirche hinter dem Chor eingemauert; dort sieht man sie bis auf den heutigen Tag.

Das Kloster auf dem Kreuzberg ist den Hospizen auf den Schweizer Alpen ähnlich, ein einfaches, steinernes Gebäude, ohne Anspruch auf architektonische Schönheit. Es wird von einigen Franziskanern bewohnt. Mit Geduld und Beharrlichkeit haben die frommen Väter ein sonniges Plätzchen vor dem Kloster zu einem freundlichen Garten umgeschaffen, in welchem noch im Hochsommer die ganze Pracht der Frühlingsflora zu schauen ist. Hiazynthen und Tulpen blühen in dieser rauhen Höhe erst im Juli. Nicht minder überrascht die liebevolle Gastfreundschaft der frommen Väter, ihr wirthlicher Tisch und ihr vortreffliches selbstgebrautes Bier. Es ist das beste der ganzen Gegend. Der Gasthof vor dem Kloster gewährt kein anständiges Unterkommen, und jeder gebildete Fremde benutzt daher gern die bereitwillige Aufnahme im Kloster.

Zur schönen Jahreszeit ist der Kreuzberg das Ziel vieler Ausflüge aus dem Frankenlande, und von den nahen Kurorten Brückenau, Kissingen und Boklet machen größere oder kleinere Gesellschaften häufig Parthien hinan. Gewöhnlich läßt man die Wagen am Fuße des Berges zurück und erklimmt die Höhe. Ermüdend ist immer die über eine Stunde dauernde Bergwanderung. – Die Wallfahrtszeit beginnt im August. Einige Tage vor Bartholomäi strömen ungezählte Schaaren Wallender aus dem Fuldaischen, Würzburgischen, Bambergischen, ja selbst vom fernen Eichsfelde herbei. Diese nehmen Nachtherberge in den nächstgelegenen Ortschaften, und mit Tagesanbruch

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/96&oldid=- (Version vom 27.10.2024)