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Harz, um deren Porphyr- und Granitzinnen sich die gehobenen und geborstenen ältern Flötzkrusten mantelförmig lagern, sind schon jüngerer Bildung; zunächst an unsere Epoche aber reicht die Entstehung jener merkwürdigen Zone von erloschenen Vulkanen, welche wir mit geringen Unterbrechungen von der Rhone und dem Rhein durch den Spessart, über die Rhön hin durch Hessen (Meißner), Westphalen bis zum Kraterkranze der Eifel verfolgen. Die Rhön ist in dieser Zone der Punkt, wo sich die vulkanische Thätigkeit am schaubarsten und kräftigsten entwickelt hat. Dieses ganze Gebirge, welches sich in einer Länge von 6–7 Meilen und einer Breite von 2–3 Stunden westlich von dem Thüringerwald und der Werra hinzieht, besteht aus einer dichten Reihe von Vulkanen, deren Krater zwar größtentheils eingestürzt, jedoch zum Theil auch (wie der Euben bei Gersfeld) noch mehr oder weniger kenntlich sind. Die Lava ist hier von den Vulkanen auf junge Flötzschichten (Keuper und Sandstein), 2 bis 3000 Fuß hoch aufgeschüttet worden; einzelne höhere Kegel stürzten durch Erdbeben ein, und ihre Trümmer füllten theils die Zwischenräume der Feuerberge aus, theils wurden sie durch Fluthen weggeführt, und ebneten die Thäler der nächsten Landschaft. Auf diese Weise erhielt das Gebirge der Rhön seine Gestalt. Von fern betrachtet ist’s ein langer oder kahler Rücken, an dessem Saum sich hie und da eine Kuppe von abentheuerlicher Form und steilem Abfall erhebt. Jener Hauptrücken heißt die lange, oder auch (der Rauhheit des Klima’s wegen) die rauhe Rhön. Merkwürdigerweise nehmen einen großen Theil des Plateaus 2 Moore ein (das rothe und schwarze Moor), deren schwankende Rasen- und Binsendecke unerschöpfliche Torflager verbirgt, Quellen des Reichthums und des Erwerbs für die Geschlechter einer noch holzärmern Zukunft. Im Hochsommer sind diese Moore ohne Gefahr zu betreten, und die umliegenden Ortschaften benutzen das Gras auf denselben gemeinschaftlich, bei dessen Einbringung, im August, sich die unwirthliche Höhe belebt; aber im Herbst und im Frühjahr sind die Moore so wässerich und deren Decke ist so weich, daß Menschen und Thiere, welche darauf gerathen, leicht versinken. Geschehene Bohrversuche machen das Daseyn eines unterirdischen Sees von beträchtlichem Umfang wahrscheinlich, der vielleicht den Krater eines ehemaligen Vulkans ausfüllt. – Jene Zeit der Heuernte ausgenommen herrscht Einsamkeit und Todtenstille auf der langen Rhön. Nur krummholziges Fichtengestrüpp umschließt die traurigen Sümpfe, und weit und breit um sie her ist keine menschliche Wohnung zu finden.

Die höchste Kuppe der Rhön ist der heilige Kreuzberg am südwestlichen Ende des Gebirge, und Angesichts des Frankenlandes ragt er empor wie eine Pyramide, 3000 Fuß hoch. Buchenwaldung bedeckt den untern Berggürtel, weiter hinan wird die Vegetation ärmlich, und den Gipfel, fast kahl, umrankt blos niederes Gesträuch. Einzelne Bäume, die mit gebrochenen Aesten und Kronen umherstehen, zeugen von der Macht der hier selten rastenden Stürme.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/95&oldid=- (Version vom 27.10.2024)