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Meeres auf jene Höhe, und seitdem hat sie der Aetna mit seinen Lavaschichten allmählich 9000 Fuß hoch überdeckt. Da wir nun wissen, daß es neunzig Aetna-Ausbrüche durchschnittlich bedarf, um die Gesammtoberfläche jener ungeheuern (15 Meilen im Umkreis messenden) Feueresse um einen Fuß zu erhöhen, neunzig Aetna-Ausbrüche aber einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren einnehmen, so ist leicht zu berechnen, welche weit über alle Geschichte und Sage hinausreichende, in die Millionen Jahre gehende Zeit erforderlich war, um die Pyramide des Aetna zu ihrer jetzigen Höhe aufzuthürmen. Und doch gehört die Erdrinde, auf welcher die Lava sich allmählich zum Aetna erhob, in geologischer Hinsicht der Gegenwart an! – Erschrick nicht, armer Sterblicher, der du deine Gegenwart mit einer solchen vergleichst, deine Spanne Zeit an solche Ewigkeiten missest. Auch diese Ewigkeiten sind nur Zeitspannen, denn zum Alter der Erde selbst verhalten sich die Alter ihrer Krustverwandlungen wie Eintagsfliegenleben zu Jahrtausenden. Noch mehr. Die Astronomie thut dar, daß unser Planet selbst nur ein Punkt ist in der Unendlichkeit des Raums; werden nun die Milliarden Jahre, die es zu den Formwandlungen der Erde, von ihrer Kindheit als Nebelfleck an bis zu ihrer Jugend als inkrustirte Feuerkugel, bedurft hat, mehr seyn, als ein Punkt in der Unendlichkeit der Zeit? – – –

Wie die lebenden Vulkane einen Altersmesser für die neueste Erdrinde abgeben, so sind auch die erloschenen, den frühern Formationen angehörigen Erdschlöte geeignet, die Geschichte unsers Planeten unserm forschenden Auge immer mehr zu erschließen. Sie, und die durch eine lange Reihe von Formationen stufenweise zu verfolgenden Überreste der organischen Schöpfung, von dem fossilen Elephanten der vorletzten Kruste an bis zum atomistischen Schaalthiere des Urkalks herab, sind die Urkunden, welche Zeugniß ablegen von den Zuständen unsers Planeten vor dem Auftreten des Menschen; sie schlagen das Buch der Erdgeschichte vor uns auf, und führen unabsehliche Reihen von Verwandlungen und von geschaffenen Wesen an uns vorüber, von denen wir außerdem weder wußten, daß sie gelebt haben, noch daß sie untergegangen sind.

Während sich heut zu Tage auf unserm ältern europäischen Continente die sichtbare Thätigkeit des unterirdischen Centralfeuers auf verhältnismäßig wenige und unbedeutende Heerde zusammengezogen hat, nahmen die Vulkane in frühern Epochen einen unendlich größern Raum unsers Welttheils ein. Die ihren dicht aneinander gestellten Essen entquollene Lava thürmte ganze Gebirge empor. In noch ältern Zeiten blies die Gewalt der feurigen Fluthen Strecken der Erbkruste, Ländergroß, hoch auf, sprengte dann der Blase Riesenleib, und aus den vielen Meilen langen Spalten quollen die Porphyr- und Granitlaven heraus, und thürmten sich, erkaltend, als jene Felsmauern gen Himmel, deren Trümmer die Hochgebirge der Erde bilden.

Unser Deutschland war ein Hauptschauplatz der vulkanischen Thätigkeit in jenen Epochen. Recht großartig ist die älteste entwickelt in den Alpen, in den Karpathen; die im Erzgebirge, Thüringerwald, Riesengebirge und im

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/94&oldid=- (Version vom 27.10.2024)