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Ständen, deren bisherige Erziehung darauf hinwies, Macht und Reichthum zur Unterdrückung der niedern Volksklassen zu misbrauchen, wieder zum Wirken für’s Wohlergehen der menschlichen Gesellschaft zu verhelfen, im wohlverstandenen Interesse ihres eigenen Glücks. Auf Gefühl und Charakterbildung wird in der Fellenbergischen Anstalt mächtig gewirkt, und alles strebt dahin, die jungen Leute mit ächter Begeisterung für ihren hohen Beruf, wie mit Lust und Liebe für Arbeit und thätiges Leben zu erfüllen und sie bis zur Epoche der Erstarkung ihres Willens aus einer Umgebung fern zu halten, deren Versuchungen siegreich Widerstand zu leisten die vornehme Jugend so selten vermag. Mit besonderer Sorgfalt wird bei den Eleven darauf hingearbeitet, sie frühzeitig an einen großartigen Ueberblick der mannichfachen Beziehungen des Lebens zu gewöhnen und das Gemüth zu einer lebendigen Theilnahme an dem Loose ihrer unbegünstigten Mitmenschen anzuregen. Eine große Reihe jetzt lebender, wackerer, zum Theil hochgestellter Männer, sowohl in der Schweiz, als in Deutschland, Frankreich etc., deren Leben sich durch gemeinnützige Bestrebungen auszeichnet, hat bei Fellenberg seine Erziehung genossen und gibt Zeugniß von ihm. – Ein zweites Institut ist die landwirthschaftliche Anstalt. Sie hat sich Weltruf erworben; die meisten europäischen Fürsten haben sie selbst besucht und fast alle Regierungen Lehrer hingesendet, sich mit dem Systeme bekannt zu machen, um nachher ähnliche Anstalten in ihren Staaten einzurichten. In eine Detailbeschreibung dieser vielverzweigten und großartigen Anstalt einzugehen wäre hier am unrechten Orte. Es genüge die Andeutung, daß Fellenberg durch seine vielfältigen und lehrreichen Versuche und bessere Methoden für die Entwässerung und Bodenverbesserung der Felder, die Entsumpfung und Bewässerung der Wiesen, die Düngerproduktion, die Einführung der Vierfelderwirthschaft mit doppelten Ernten und durch eine unzählige Menge von Erfindungen neuer, so wie der Verbesserung alter landwirthschaftlicher Geräthe und Maschinen, kurz durch das Beispiel eines in jeder Beziehung rationellen Betriebs des Landbaus um Europa große, nie hoch genug zu schätzende Verdienste sich erwarb. Was seine Verbesserungen leisten können, stellt sich im Gute Hofwyl glänzend heraus. Fellenberg brachte den Ertrag des letztern binnen 20 Jahren auf das Dreifache. Eine eigene Zeitschrift (die Hofwyler landwirthschaftlichen Blätter) verbreitet Fellenbergs Ideen und Erfahrungen auch im weitern Kreise. – An diese Anstalt knüpft sich zunächst die Wehrlischule, ein ökonomisches Institut für die ärmsten, niedrigsten, verwahrlosesten und verlassensten Menschen. Fellenberg ging dabei von dem Grundsatze aus, daß keinem Menschen anders als durch sich selbst zuverlässig zu helfen sey, so wie von der ebenfalls ganz begründeten Voraussetzung, daß auch im geldarmsten Menschen ein hinlängliches eigenes Produktionsvermögen sich findet, um seine Lage zu verbessern, wofern nur der Geist des ausdauernden Fleißes, der Sparsamkeit und der Ordnung in ihm gehörig entwickelt und dabei für wirksam-religiöse Erhebung, als Grundlage aller Sittlichkeit, gesorgt wird.

Bei dieser Anstalt denke man nicht an eine gewöhnliche Arbeitsschule, wo die Kinder der Armuth mit Spinnen, Stricken, Sticken, Klöppeln, Federschleißen u. s. w. in dumpfigen Stuben eingepfropft, kümmerlichen Taglohn

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/89&oldid=- (Version vom 27.10.2024)